Rund 66.000 Schüler besuchen den islamischen Religionsunterricht. Mehr als 500 Lehrer sind im Einsatz.
Wien. Als Antennen zur religiösen Jugend bezeichnet Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die islamischen Religionslehrer. Sie sollen im Kampf gegen islamistische Radikalisierung von Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen – Aufklärung leisten, den IS-Terror verurteilen und die Radikalisierungstendenzen von Schülern sofort melden.
Dass die Religionslehrer um Hilfe gebeten werden, ist neu. Bis vor wenigen Jahren standen sie selbst und mit ihnen ihr Unterricht in der Kritik. Die Vorwürfe reichten von einer schlechten Ausbildung und mangelnden Deutschkenntnissen bis hin zu einem problematischen Verhältnis zur Demokratie. Seither war die Islamische Glaubensgemeinschaft, die für die Auswahl der Lehrer zuständig ist, um eine Beruhigung der Debatte und Verbesserungen bemüht.
Während vor mehr als 30 Jahren, als der islamische Religionsunterricht in Österreich eingeführt wurde, die Lehrer noch meist aus dem Ausland geholt wurden und noch vor fünf Jahren vier von zehn Religionslehrern keine theologische oder pädagogische Ausbildung hatten, werden die neu eingesetzten Pädagogen großteils in einem privaten Studiengang für Pflichtschulen (IRPA) in Wien ausgebildet. Seit 2006 bietet die Uni Wien zudem das Studium der Islamischen Religionspädagogik für AHS- und BHS-Lehrer an. Vor einem Jahr startete auch die Uni Innsbruck eine solche Ausbildung.
Laut Islamischer Glaubensgemeinschaft ist die Zahl der Studienabsolventen so hoch, dass künftig keine Quereinsteiger mehr eingesetzt werden müssen. Tatsächlich werden immer mehr Religionslehrer ausgebildet, es sind aber (noch) nicht genug. Denn die Zahl der muslimischen Schüler steigt schneller. In der Islamischen Glaubensgemeinschaft spricht man von 66.000 Schülern und mehr als 500 islamischen Religionslehrern (siehe Grafik).

In ländlicheren Regionen kann der Bedarf jedenfalls nicht mehr gedeckt werden. Die Schüler müssen Anfahrtswege von bis zu 40 Kilometern auf sich nehmen. In Wiens Haupt- und Neuen Mittelschulen gibt es mittlerweile mehr Muslime als Katholiken. Der Religionsunterricht für Muslime kann dort nur durch hohe Betreuungsquoten sichergestellt werden. So kommen auf einen Lehrer an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mehr als 190 Schüler.
Uni Wien soll Imame ausbilden
Der Radikalisierung sollten nicht nur Lehrer, sondern auch Imame, die Vorbeter in Moscheen, entgegentreten. Österreich versucht schon lange, den Zustrom von Predigern aus dem Ausland zu stoppen und eine eigene Ausbildung anzubieten. Im Entwurf zum neuen Islamgesetz (siehe Artikel links) ist von einem Start des islamisch-theologischen Studiums an der Universität Wien ab 2016 die Rede. Der Bund soll dann sechs Lehrpersonalstellen an der Uni finanzieren. Die Glaubensgemeinschaft muss vier Wochen vor der Bestellung die Namen der Personen erfahren – und darf dann eine Stellungnahme abgeben. (j.n.)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)