Hohe Schulden, keine Reformen – bleiben wir einfach optimistisch

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THEMENBILD: HYPO ALPE-ADRIA-BANK(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Ausgelagerte Schulden und Milliardenhilfen an die Banken. Langsam lichten sich die Nebel über den wahren Staatsschulden. Alles ist dies aber noch nicht.

Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny scheint ein außerordentlich optimistischer Mensch zu sein. Noch im Jänner erklärte er, dass die Staatsschulden heuer bei 74,3 Prozent des BIPs stagnieren werden. Dass zu diesem Zeitpunkt bereits seit rund drei Jahren klar war, dass in diesem Herbst etwa die Schulden der staatlichen Bahn in die Staatsschuld eingerechnet werden müssen, focht den obersten heimischen Hüter des Geldes nicht an: Noch gebe es keine fixen offiziellen Zahlen, daher fließe dieses Wissen auch nicht in die Prognose ein. Punkt.

Seit Dienstag hilft auch der größte Optimismus beim Thema Staatsschulden nicht mehr weiter. Denn seither ist es offiziell: Österreichs Schuldenberg betrug bereits im Vorjahr 81,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Heuer werde diese Zahl – dank Hypo-Bad-Bank – auf rund 87 Prozent weiter ansteigen, so die Statistik Austria. Fix und offiziell ist Letzteres zwar noch nicht, es kann aber getrost davon ausgegangen werden, dass es so kommen wird.

Nowotnys Zugang zum Thema Staatsverschuldung steht damit beispielhaft für den Umgang der Politik mit unangenehmen Wahrheiten: verschleiern und optimistisch ignorieren, bis es einfach nicht mehr geht. Denn die Schulden haben sich ja nicht plötzlich aufgetan, sie sind bereits seit Jahren da – nur halt in staatsnahen Betrieben oder ausgelagerten Einheiten versteckt. Dies wurde von der EU-Statistikbehörde Eurostat nun beendet.


Die Schulden von ÖBB, Bundesimmobiliengesellschaft oder den Krankenanstalten werden künftig direkt dem Staat zugerechnet. Und das ist gut so. Denn es macht das Bild über die wahre Verfassung dieser Republik etwas transparenter. Ebenfalls enthalten sind ab diesem Jahr auch die kompletten Kosten für die Rettung der heimischen Banken. 18,6 Milliarden Euro hat dies bisher gekostet. Bei der Hypo kommen heuer noch einmal über 17 Milliarden Euro hinzu. Und auch wenn ein Teil beim Verkauf der Assets zurückkommen dürfte: Viel davon wird bei den Steuerzahlern hängen bleiben.

Auch bei den Banken jahrelang ein Verschleiern-und-ignorieren-Spiel: Zuerst versagen sämtliche Aufsichtsorgane bei den Milliardenspekulationen von Provinzbanken wie Hypo Alpe Adria oder Kommunalkredit. Dann werden auch nicht systemrelevante Institute wie die ÖVAG unter den finanziellen Schutzmantel des Staates geholt, nur weil man keinen Präzedenzfall für die Insolvenz einer Genossenschaftsbank schaffen wollte. Denn das ist in einem Land mit mächtigen Genossenschaftsbanken politisch nicht sonderlich opportun. Und zu guter Letzt laborieren drei Finanzminister über Jahre an dem unbequemen Thema Hypo herum, bevor eine Entscheidung über die Abwicklung getroffen wird. Die dafür notwendigen Schulden waren im Hintergrund faktisch schon längst da, aber halt noch nicht fix und offiziell. Wie praktisch.

Aus Fehlern werde man zumindest klug, heißt es im Sprichwort. In der Politik trifft diese Annahme aber kaum zu. Zwar ist sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise ein Insolvenzrecht für Banken „schon“ in Arbeit. Eine Regelung für über ihre Verhältnisse lebende oder spekulierende Länder wird aber nicht einmal angedacht.


Aber zumindest wissen wir jetzt, wo wir wirklich stehen, möchte man meinen. Knapp 90 Prozent Staatsverschuldung ist zwar um die Hälfte mehr als im Maastricht-Vertrag festgelegt, aber immer noch besser als Italien, oder?

Doch auch dieser Wert ist bestenfalls eine Annäherung an den wahren Zustand. Denn darin sind nur die expliziten Schulden enthalten – also Geld, das bereits ausgegeben wurde. Daneben gibt es aber auch noch implizite Schulden – Geld, das noch nicht ausgegeben, aber bereits fix und offiziell versprochen wurde. Etwa in Form von Pensionszusagen. Laut Schätzungen liegt die Schuldenquote inklusive dieser Verpflichtungen zwischen 160 und 200 Prozent des BIPs.

Alles kein Problem, heißt es dazu aus der Politik. Trotz fehlender Reformen seien Pensions- und Gesundheitssystem kein Grund zur Sorge. Vielleicht sollten wir wirklich einfach optimistisch sein.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

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