„Bundesheer kann seine Aufgaben nicht erfüllen“

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THEMENBILD: BUNDESHEER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Christian Segur-Cabanac, ehemals führender Offizier, hält ein höheres Budget für notwendig. Das Heer könne seine Aufgaben nicht mehr erfüllen.

Die Presse: Wie kaputt ist das Heer?

Christian Segur-Cabanac: Kaputt ist keine Kategorie, wenn es um die Beurteilung einer Armee geht. Aber das österreichische Bundesheer ist nicht mehr in der Lage, seine verfassungsmäßigen Aufgaben vollständig zu erfüllen.

Was wäre dafür notwendig?

Bei der Reform Bundesheer 2010 unter Leitung von Helmut Zilk gab es dazu klare Angaben: Das Bundesheer benötigt ein Budget von mindestens einem Prozent des BIPs. Nächstes Jahr liegen wir unter 0,6 Prozent.

Es braucht also auf jeden Fall mehr Geld? Kann man nicht auch mit dem Vorhandenen Sinnvolles machen?

Die Bundesverfassung gibt die Aufgaben für das Bundesheer vor. Dort und in der erst jüngst beschlossenen Sicherheitsstrategie sind Anforderungen vorgegeben, die mit den jetzigen finanziellen Mitteln nicht zu erfüllen sind. Die Politik muss sich entscheiden: mehr Geld oder weniger Leistung. Sonst lebt das Bundesheer an der Realität vorbei.

Aber kann man nicht ohnehin bei der jetzt fehlenden konventionellen militärischen Bedrohung mit einem kleineren Heer auskommen?

Ich kann dem nur bedingt zustimmen. Eine Feuerwehr wird auch nicht, weil es schon drei Jahre nicht gebrannt hat, das große Spritzenauto gegen eine kleinere Version eintauschen, weil das günstiger ist. Das Bundesheer ist eine Einrichtung, die auf Prävention ausgerichtet ist.

Dem widersprechen die aktuellen Reformpläne: Die sehen eine starke Reduktion der schweren Waffen vor.

Ich sehe keine Reform, sondern ausschließlich eine Reaktion auf budgetäre Zwänge, obwohl ich zugebe, dass schwere Waffensysteme nicht mehr in dem Umfang wie zu Zeiten der Raumverteidigung erforderlich sind. Aber ich darf darauf hinweisen, dass es da schon erhebliche Reduktionen gegeben hat.

Kürzungen sind also nicht sinnvoll?

Natürlich gibt es einiges zu reduzieren, das möchte ich gar nicht abstreiten. Im Bereich der Grundorganisation gibt es erhebliche Überkapazitäten. Aber das liegt daran, dass die Berufssoldaten im Bundesheer als Beamte bis zum 65. Lebensjahr dienen sollen. Ab einem gewissen Alter – 45 bis 50 – müssen sie in eine andere Tätigkeit wechseln.

Wie müsste aus Ihrer Sicht eine Reform aussehen?

Wir benötigen ein neues Dienst-, Besoldungs- und Gehaltswesen. Und wir müssen weg vom Beamtenstatus.

Das wird vorerst wenig bringen, weil der bestehende Beamtenapparat ja bleibt.

Es wird keine sofort lukrierbaren budgetären Effekte bringen. Aber die längsten Märsche beginnen mit dem ersten Schritt. Und der muss einmal in die richtige Richtung gemacht werden. Sonst wird alles immer weniger und kleiner, bis nichts mehr da ist.

Sind Sie enttäuscht von der Politik?

Ich kann nicht verhehlen, dass ein gewisses Gefühl der Enttäuschung da ist. Ich habe 46 Jahre im Bundesheer gedient. Ich hätte mir nicht erwartet, dass die Notwendigkeit des Militärs in der öffentlichen Reflexion derartig verdunstet.

ZUR PERSON

Christian Segur-Cabanac war bis vor einem Jahr in leitenden Funktionen im Bundesheer und im Verteidigungsministerium tätig. Zuletzt war er Generalleutnant (zweithöchster Rang nach dem General) und Leiter der Sektion 4 (Einsatz). Segur-Cabanac war auch mehrmals aussichtsreicher Kandidat für den Generalstabschef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

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