"Gomorrha": Im Mutterland der Mafia

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Roberto Savianos Buch "Gomorrha" kommt als Serie ins Fernsehen. In Italien wurden die Schauspieler als Nestbeschmutzer beschimpft.

In der besten Szene der zweiten Folge von „Gomorrha“ pinkelt Camorra-Boss Pietro Savastano öffentlich in ein Champagnerglas. Er reicht das Glas seiner Nummer zwei, Ciro di Marzio, der es vor seinen Augen widerspruchslos austrinkt. Ein archaischer Beweis der Macht, um die es in der italienischen Serie geht. Im Zentrum der Geschichte steht der zweifelnde Ciro, wohl ein Alter Ego seines Schöpfers Roberto Saviano. Seit Erscheinen seines Buches „Gomorrha“ 2006 lebt der Autor unter Polizeischutz. Die Paten in Neapel waren nicht angetan von seiner akribischen Aufarbeitung ihrer Arbeitsmethoden und bedrohen ihn seither mit dem Tod.

Mit der gleichnamigen Serie wurde das Buch nach Matteo Garrones Film nun zum zweiten Mal aufgearbeitet – und wieder gab es Widerstand. „Man hat uns beschuldigt, dass wir Italien und Neapel schlecht machen“, sagt Hauptdarstellerin Maria Pia Calzone zur „Presse“. Sie spielt Imma, die Ehefrau des Clanchefs, die wichtigste weibliche Figur dieser männerdominierten Welt.

Camorra, nicht Mafia. „In Italien gilt man sofort als Nestbeschmutzer“, schildert die 46-Jährige. Kommen deshalb mehr Geschichten über die Mafia aus den USA als aus ihrem „Mutterland“? „Die Amerikaner waschen die Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit, sie schauen dem Ungeheuer ins Antlitz“, sagt Calzone. „Das ist sehr kathartisch.“ Gern wird „Gomorrha“ mit der Mafiaserie „Sopranos“ verglichen, wobei Mafia der falsche Begriff ist. „Es ist eben nicht die sizilianische Mafia, sondern die Camorra“, erklärt Calzone. In der Mafia gebe es nur drei Rollen für Frauen: Ehefrau, Geliebte, Schwester. „Die Camorra ist eine moderne kriminelle Organisation. Frauen können sehr wohl an der Macht sein, wenn ihre Ehemänner oder Brüder im Gefängnis oder verschwunden sind“, sagt Calzone. So ergeht es auch ihrer Figur.

In Italien war diese enorm beliebt. „Sie kann töten und töten lassen. Gleichzeitig liebt sie ihren Mann und ist unglaublich weiblich“, erklärt Calzone diese Popularität. Ko-Star Fortunato Cerlino hat ein zwiespältiges Verhältnis zu seiner Figur, Clanboss Savastano. „Als Mensch ist er natürlich verabscheuenswert“, sagt er. „Als Schauspieler hatte ich durch ihn die Möglichkeit, in eine dunkle und gewalttätige Welt zu reisen.“ Ob er befürchtet, dass das Publikum seine Figur als Helden wahrnimmt? „Oft ist der erhobene Zeigefinger das Falsche. Tief drinnen wissen wir, dass das Böse, Geld und Macht faszinieren. Um dagegen anzukämpfen, muss man die Folgen einer Entscheidung für diese Welt begreifen.“

Inzwischen wird „Gomorrha“ bejubelt – auch von ehemaligen Gegnern, wie Cerlino erzählt. „Viele der Künstler, die die Serie im Vorhinein kritisiert haben, wollen jetzt eine Rolle darin.“

„Gomorrha“, ab 10. Oktober auf Sky, im Frühjahr 2015 auf Arte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2014)

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