Formel 1: Plötzlich ist das Risiko wieder Thema

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JAPAN FORMULA ONE GRAND PRIX(c) APA/EPA/HIROSHI YAMAMURA (HIROSHI YAMAMURA)
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Der schwere Unfall von Jules Bianchi hat die Sicherheitsdiskussion in der Königsklasse wieder aufflammen lassen. Der Franzose schwebt mit Kopfverletzungen weiterhin in Lebensgefahr.

Suzuka/Wien. Der Grand Prix von Japan mit dem schweren Unfall von Jules Bianchi zählt zu den schwärzesten Wochenenden der Formel 1 seit jenem verhängnisvollen Rennen in San Marino 1994, als Ayrton Senna und Roland Ratzenberger gestorben sind. Seither hat der Automobilverband viel getan: Die Rennstrecken wurden entschärft, Betonmauern als Barrieren verbannt, die Cockpit-Wände erhöht und Crashtests verpflichtend vorgeschrieben. Mit Erfolg. Dutzende Unfälle, die noch in früheren Jahrzehnten tödlich ausgegangen wären, endeten seither mit weitgehend unversehrten Piloten.

Der Unfall von Jules Bianchi aber hat gezeigt, dass sich das Risiko im Motorsport auch in Hightechzeiten nicht gänzlich ausschließen lässt. „Rennfahren ist und bleibt gefährlich“, sagte Niki Lauda. „Wir gewöhnen uns daran, wenn nichts passiert, und sind dann überrascht.“ Nun wurde wieder ein dramatischer Vorfall Auslöser für eine neue Diskussion über die Sicherheit.

Nässe, Dunkelheit und der Kran

Infrage gestellt wurde zum einen die grundsätzliche Durchführung des Rennens. Als Bianchi in Runde 43 in der Dunlop-Kurve wegrutschte, goss es in Suzuka in Strömen, und die Dämmerung hatte bereits begonnen. Dass die Piloten bei Nässe fahren können, haben sie zigfach bewiesen, doch die schlechte Sicht erhöhte das Risiko. „Als es dunkel wurde, waren die nassen Stellen nicht mehr zu sehen“, erklärte Adrian Sutil, der unmittelbar vor Bianchi an derselben Stelle gecrasht war. Trotz der Wetterwarnungen hatte sich Rennstreckenbesitzer Honda aber gegen die von der FIA vorgeschlagene Vorverlegung des Starts gewehrt – aus Sorge um die Anreise der Zuschauer.Bianchis Abtransport im Krankenwagen statt Helikopter sei hingegen eine rein medizinische Entscheidung gewesen, betonte Alexander Wurz, seit Kurzem Vorsitzender der Fahrervereinigung.

Zum anderen wird über die Umstände beim Unfall von Bianchi diskutiert. Obwohl Sutils Bolide gerade geborgen wurde, herrschte nur Doppel-Gelb- aber keine Safety-Car-Phase. „Das ist eine der schwierigsten Stellen. Bei einem Unfall dort wäre angesichts der Bedingungen das Safety Car wohl angebracht gewesen“, meinte der Deutsche. Wirklich fatal wurde der Crash aber erst durch den Bergungskran. Selbst strahlender Sonnenschein hätte zwei fast identische Unfälle in aufeinanderfolgenden Runden nicht verhindern können, doch dass Bianchi in der Auslaufzone mit voller Wucht in den Abschleppwagen krachte, hätte man vermeiden können. In Monaco operiert der Kran beispielsweise seit Jahren mittels Greifarm von außerhalb.

Zustand „kritisch, aber stabil“

Über Bianchis Gesundheitszustand wurde indes am Montag lange gerätselt. Weder das Spital noch das Marussia-Team wollte nach der Operation eine Stellungnahme abgeben, erst am Nachmittag wandte sich die FIA dann auf Wunsch der Eltern an die Öffentlichkeit. Der Zustand des 25-Jährigen sei „kritisch, aber stabil“, die Lage weiterhin „sehr, sehr ernst“, erklärte Sprecher Matteo Bonciani. Der Franzose schwebt nach wie vor in Lebensgefahr und wird mit schweren Kopfverletzungen auf der Intensivstation des Mie-Generalkrankenhauses in Yokkaichi behandelt.

Seit Montagmorgen ist auch Bianchis Familie vor Ort. Bereits zuvor haben Manager Nicolas Todt und Marussia-Teamchef John Booth den Franzosen besucht. Während der Formel-1-Tross Richtung Sotschi aufgebrochen ist, werden Vertreter des Marussia-Teams und der Scuderia Ferrari, dessen Nachwuchsprogramm Bianchi angehört, im japanischen Krankenhaus bleiben. In einer Aussendung bedankte sich der Rennstall für die große Anteilnahme und Unterstützung.

AUF EINEN BLICK

Jules Bianchis Zustand ist nach dem schweren Unfall im GP von Japan weiter „sehr, sehr ernst“, wie die FIA mitgeteilt hat. Der Crash des Franzosen ließ erneut eine Sicherheitsdiskussion aufkommen. Die Durchführung des Rennens bei Regen und Dunkelheit wird ebenso kritisiert wie die Positionierung des Bergungskrans, in den Bianchi in der Auslaufzone mit voller Wucht gekracht ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2014)

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