IWF: Österreichs Arbeitsproduktivität nicht mehr erstklassig

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Mangelnder IT-Einsatz und Risikoscheu lassen Österreich seit den 90er-Jahren immer stärker zurückfallen.

Washington. Banken und Budget: Als der Internationale Währungsfonds (IWF) am 15. September die Ergebnisse seiner jährlichen Beratung mit der Bundesregierung über den Zustand der österreichischen Volkswirtschaft vorlegte, waren fast alle Augen auf seine Einschätzung der Lage der Finanzwirtschaft und des Staatshaushaltes gerichtet.

Völlig übersehen wurde dagegen die Warnung des Fonds vor einem Missstand, der für die Wahrung des hohen Lebensstandards ebenso entscheidend ist wie für die Fähigkeit der Regierung, die Schuldenquote von bald mehr als 80Prozent der Wirtschaftsleistung ohne schmerzhafte Einsparungen oder weitere Steuererhöhungen zu senken: Die Arbeitsproduktivität in Österreich wächst immer schwächer – und der Abstand zur produktivsten Volkswirtschaft, jener der USA, wird immer größer.

20 Prozent weniger produktiv als USA

„Die Produktivität pro Stunde in Österreich ist um fast 20Prozent niedriger als in den USA, was erklärt, wieso das BIP pro Kopf um 13Prozent niedriger ist“, mahnt der IWF-Bericht zur heurigen Artikel-IV-Konsultation, der jährlichen Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Lage. „Zudem hat die Arbeitsproduktivität Mitte der 90er-Jahre aufgehört, gegenüber jener der USA aufzuholen, und ist seither weiter zurückgefallen.“

Wer einwendet, die Österreicher seien kulturell nicht mit den von einem puritanischen Arbeitsethos angetriebenen Amerikanern zu vergleichen, mag recht haben. Der Vergleich mit anderen europäischen Staaten allerdings entkräftet diesen Erklärungsversuch für das Zurückfallen der wirtschaftlichen Schaffenskraft. Die österreichische Arbeitsproduktivität sei „zum Beispiel niedriger als jene in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland“, heißt es in dem IWF-Bericht. „Österreich spielt hier nicht mehr in der Liga von Deutschland und all den skandinavischen Ländern, mit denen es sich so gern vergleicht“, meinte ein IWF-Mitarbeiter gegenüber der „Presse“.

Warnung vor neuer globaler Krise

Ein Blick in das Datenmaterial der Statistik Austria veranschaulicht diese Entwicklung. In den Jahren 1996 bis 2005 stieg die Produktivität pro geleisteter Arbeitsstunde in Österreich um durchschnittlich 5,6Prozent pro Jahr – von 2006 bis 2012 jedoch nur mehr um durchschnittlich 2,1Prozent. Das deckt sich mit der Beobachtung des IWF, wonach „der Rückgang des potenziellen Wachstums vor der globalen Krise begann“.

Eine globale Krise, die seit ihrem Ausbruch vor sechs Jahren nicht völlig verdaut ist und der nach Ansicht der IWF eine neue folgen könnte. In seinem am Dienstag veröffentlichten jährlichen Weltwirtschaftsausblick kürzt der Fonds seine Prognose für das heurige globale Wirtschaftswachstum um 0,4 Prozentpunkte auf 3,3Prozent und begründet dies kurzfristig mit dem Risiko einer „Verschärfung geopolitischer Spannungen“ und mittelfristig mit „Stagnation und niedrigem möglichem Wachstum in den entwickelten Ökonomien“.

Die geopolitischen Spannungen – die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten – kann die Bundesregierung nicht allein abbauen. Gegen die wirtschaftliche Stagnation im Land hingegen könnte sie etwas tun, indem sie Hemmnisse der Arbeitsproduktivität abbaut. Der Fonds nennt in seinem Bericht mehrere mögliche Gründe für deren schwächelndes Wachstum.

Erstens würden Österreichs Unternehmen die Informationstechnologie (IT) nicht so eifrig einsetzen wie amerikanische Firmen. „Es ist bemerkenswert, dass die größten Unterschiede gegenüber den USA im vergangenen Jahrzehnt in der Lohnfertigung und der IT zu sehen waren“, ist im Bericht notiert. Zweitens hemmten „kulturelle Einstellungen gegenüber dem Eingehen von Risken“ und „begrenzte zweite Chancen für jene, die Insolvenz erlitten haben“, die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Das ist schlüssig: In jungen, frisch gegründeten Unternehmen steigt die Produktivität üblicherweise besonders stark. Dasselbe gilt, wenn neue Wege zum Einsatz von Arbeitskräften riskiert werden können, ohne im Fall des Scheiterns geächtet zu werden.

Damit hängt der dritte Grund zusammen, der nach Ansicht des IWF das Wachstum der Arbeitsproduktivität blockiert: der Mangel an Finanzierungsquellen für Unternehmensgründer. „Das könnte am bankenbasierten Finanzsystem liegen, das hauptsächlich bestehende Firmen finanziert und wenig Gründungskapital bereitstellt“, heißt es in dem Bericht. Daran knüpft sich viertens die Kritik des Fonds an „überschüssiger Regulierung“ und den hohen Verwaltungskosten für Jungunternehmen; ein Übel, von dem jeder Firmengründer zu berichten weiß, der sich schon einmal mit einer Sozialversicherungsanstalt herumgeschlagen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2014)

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