Franko-italienische Misere

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Der IWF kürzt Paris und Rom die ohnehin schwachen Wachstumsaussichten. Neue Reformpläne stoßen auf Bürgerproteste.

Washington. Der neue Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) veranschaulicht die Schwierigkeiten Frankreichs und Italiens, ihre Konjunkturen zu beleben und die hohe Arbeitslosigkeit zu senken. Der Fonds halbierte in seinem am Dienstag veröffentlichten Report die ohnehin sehr schlechten Wachstumsaussichten für das heurige Jahr im Fall Frankreichs um mehr als die Hälfte auf 0,4Prozent. Italiens Volkswirtschaft werde heuer sogar um 0,5 Prozent schrumpfen, statt wenigstens um 0,2 Prozent zu wachsen, wie es der Fonds im April angenommen hatte. Für 2015 erwartet er in Frankreich ein Wachstum von einem und in Italien von 0,8Prozent.

Angesichts der statistischen Schwankungsbreiten solcher Prognosen kann man jedenfalls sagen, dass die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften der Eurozone bis 2016 nicht wachsen werden. Wie sich das in absehbarer Zeit ändern lässt, ist nicht ersichtlich. Denn Paris und Rom dürften sowohl in ihrer Hoffnung auf eine rasche Reform der eigenen Arbeitsmärkte und Wettbewerbsbedingungen im eigenen Land als auch in jener auf einen äußeren Anschub durch Deutschland enttäuscht werden.

Die Strukturreformen werden nämlich von vielen ihrer Bürger – vor allem den gewerkschaftlich organisierten – scharf abgelehnt. Das zeigte sich anlässlich des europäischen Gipfeltreffens für Beschäftigung, zu dem Italiens Ministerpräsident, Matteo Renzi, am Mittwoch nach Mailand eingeladen hatte (für Österreichs Bundesregierung nahm Sozialminister Rudolf Hundstorfer teil). Tausende demonstrierten, und im italienischen Senat erzwang Renzi eine Vertrauensabstimmung, um sich der Unterstützung seiner eigenen Koalition für die Reformen zu vergewissern. Er will den seit den 1970er-Jahren geltenden besonderen Kündigungsschutz in Firmen mit mehr als 15 Beschäftigten lockern, befristete Arbeitsverträge mit einer Dauer von bis zu 36 Monaten erlauben und die Verwaltungsausgaben kürzen: lauter Tabus für die Linke. In Paris wiederum bekommt der 36-jährige frühere Investmentbanker und neue Wirtschaftsminister, Emmanuel Macron, gute Presse für seine Reformideen. Ob sie umsetzbar sind, ist offen.

Die Mahnung von IWF-Direktorin Christine Lagarde vom Dienstag, Deutschland möge endlich seine jahrelang vernachlässigten Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur erhöhen, dürfte selbst dann keine Wachstumsimpulse für Frankreich und Italien bringen, wenn sie von Angela Merkel erhört werden sollte: Bauaufträge für neue Straßen und Schulen würden diesfalls vorrangig an deutsche Unternehmen gehen, das neue Geschäft also im Land bleiben. Und was Merkel von französischen und italienischen Avancen zur Lockerung der Regeln für die öffentliche Neuverschuldung in den Euroländern hält, ist bekannt: nämlich nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2014)

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