Selbst große Unternehmen haben laut dem Wirtschaftskammerchef kaum noch den Überblick über die Vorschriften. Dies könne auch ein Thema für den Menschenrechtsgerichtshof werden, so Leitl.
Für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl gibt es viele Fälle, die beweisen, dass die Bürokratie in Österreich "ein Monster geworden ist". Da gebe es etwa einen kleinen steirischer Betrieb, wo die externe Lohnverrechnung einen kleinen Fehler machte: Die Nachzahlung habe nur 153 Euro betragen, die Strafe aber 11.000 Euro. Oder eine Stadtwirtin in Wien, die ihre Personaltür von 85 auf 90 cm Breite erweitern musste. Dabei sei sie nicht nur bestraft, sondern auch "unflätig angegangen" worden.
Es gebe eine "Bedrohung durch sich selbstständig machende Bürokratie mit einer Eigendynamik, die niemand mehr stoppen kann", sagte Leitl am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Selbst bei der Gesundenuntersuchung müsse man inzwischen "einen Stapel Papier" unterschreiben. Ein Primar verwende 40 Prozent seiner Zeit für Bürokratie.
"Aggressive Stimmung"
Kleinere Betriebe seien besonders betroffen. Und nicht einmal die Größeren könnten den Überblick behalten, kritisierte Leitl. Inzwischen erzeuge die Bürokratie "eine aggressive Stimmung, die zu Unlust am unternehmerischen Handeln führt". In Österreich gebe es 20.000 bis 25.000 nationale Vorschriften, mit europäischen Bestimmungen seien es etwa 110.000. Alleine im Arbeitnehmerschutzgesetz gelten 1209 Bestimmungen.
Und wenn dann etwas übersehen werde, dann "schlägt die Strafe gnadenlos zu", so Leitl. Auch wenn im Gesetz grundsätzlich Unkenntnis nicht vor Strafe schützt, "dort wo Kenntnis objektiv nicht mehr möglich" ist, müsse man Strafen anfechten, "bis zum Verwaltungsgericht, bis zum Menschenrechtsgerichtshof".
Leitl sieht eine Lösung durch die Verwirklichung von drei Prinzipien: "Weniger ist mehr", der Staat solle als Berater und Begleiter auftreten und nicht bei Bagatellfällen mit Strafen kommen, und schließlich sollen die - durchaus notwendigen - Kontrollen "mit Würde" stattfinden. Schließlich bezahle die Wirtschaft mit ihren Steuern dafür.
Schärfer bei Lohndumping durchgreifen
Bei Vorsatz oder grob fahrlässigem Verhalten, etwa Lohn- und Sozialdumping, sollte scharf durchgegriffen werden. Wenn man bei Minimalvergehen großzügig sei, könne man auch das gesamte Entgelt prüfen, hier habe die Wirtschaftskammer umgedacht. Auch die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmer sieht Leitl kritisch. Die Bevorzugung von Best- statt Billigstbietern in künftigen Ausschreibungen unterstützt er.
(APA)