Hat die Volksbank AG die Anleger getäuscht?

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ARCHIVBILD: VOLKSBANKEN AG (OeVAG)APA/HERBERT NEUBAUER
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Das angeschlagene Volksbanken-Spitzeninstitut wird abgewickelt. Der Steuerzahler verliert Millionen. Zudem gibt es mehrere Investoren, die der Bank eine irreführende Informationspolitik vorwerfen.

Wien. Beim angeschlagenen Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG gibt es immer wieder überraschende Wendungen. Im April 2014 erklärte der ÖVAG-Vorstand, man erwarte keine Probleme beim Stresstest der Europäischen Zentralbank. Zwar könne man zusätzlichen Kapitalbedarf im nächsten Jahr nicht ausschließen. Doch dieser könne zwischenzeitlich etwa über nachrangige Anleihen gedeckt werden.

Doch es kam anders. In der Vorwoche teilte die ÖVAG mit, dass die Bank abgewickelt werde. Für den Steuerzahler ist diese Nachricht schlecht. Der Staat investierte über eine Milliarde Euro in das Institut. Ein Großteil dürfte für immer verloren sein. Sechs kleine Volksbanken laufen gegen den jetzigen Rettungsplan Sturm.

Investoren verloren viel Geld

Dann hat die ÖVAG noch einen Prozess am Hals. Für den Wiener Anwalt Ingo Kapsch von HLMK Rechtsanwälte besteht der Verdacht, dass die ÖVAG vor der Teilverstaatlichung im Frühjahr 2012 Anleger „irreführend und/oder falsch“ informiert hat.

Kapsch vertritt mehrere Investoren, die 2010 und 2011 Partizipationsscheine der ÖVAG gekauft haben. Grund für die Kaufentscheidung waren positive Meldungen der Bank. Bei der Teilverstaatlichung verloren die Partizipationsscheine einen Großteil ihres Werts.

Im Prozess wurde nun ein ÖVAG-Mitarbeiter als Zeuge befragt. Dies war für Kapsch aufschlussreich. Der Anwalt interpretiert die Aussagen des Zeugen dahingehend, „dass von den Verantwortlichen bei der ÖVAG intendiert war, mit diversen Meldungen eine positive Anlagestimmung zu schaffen. So bezeichnete der ÖVAG-Mitarbeiter die wiederholte Verwendung des Wortes Turnaround in Presseaussendungen als Werbemeldung. Aus dem Umfeld der ÖVAG heißt es, diese Interpretation des Anwalts sei nicht zulässig.

Was wurde veröffentlicht?

• Im Mai 2010 berichtete die ÖVAG, dass sich die Trendwende zum Positiven fortsetze und der Turnaround nachhaltig gelinge.
• Im August 2010 hieß es in einer Mitteilung: „Positive Entwicklung setzt sich konstant fort.“
• Im November 2010 wurde behauptet, die Zahlen der ersten drei Quartale 2010 hätten den Turnaround bestätigt.
• Im Dezember 2010 gab die ÖVAG bekannt, dass auf die PS-Scheine, die vom Staat gehalten werden, sowie auf alle anderen ergebnisabhängigen Wertpapiere ab dem Jahr 2012 Dividenden gezahlt werden sollen.
• Im April 2011 wurde eine ähnliche Meldung wie im Dezember 2010 veröffentlicht und von einem positiven Jahresergebnis vor Steuern in der Höhe von 91 Mio. Euro gesprochen. In den Folgejahren soll das Vorsteuerergebnis stabil auf über 100 Mio. Euro pro Jahr gesteigert werden.

Die von Kapsch vertretenen Anleger werfen der ÖVAG vor, in den Jahren 2010 und 2011 „einen in Wahrheit nie existenten Turnaround“ herbeigeredet zu haben. Vor Gericht wurde dazu der Kapitalmarktexperte der ÖVAG befragt. Dieser war aber nur für die Ad-hoc-Meldungen und nicht für die Pressemeldungen zuständig. Der Mitarbeiter sagte aus, dass das Gesetz nicht nur eine Meldepflicht bei negativen, sondern auch bei positiven Umständen vorsehe. Der Mitarbeiter erklärte, dass für die damaligen Meldungen der Vorstand verantwortlich sei. Er selbst habe den Inhalt nicht überprüft.

„Wenn der Vorstand mit mehr als 50Prozent Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Gesellschaft ausschüttungsfähig wird, so muss dies auch ad hoc veröffentlicht werden“, so der Zeuge.

Auf die Frage des Richters, ob der Mitarbeiter involviert gewesen sei in eine bankinterne Aufarbeitung oder Klärung, wie es zur Fehlprognose in der Ad-hoc-Meldung habe kommen können, meinte der Zeuge: „Nein, weil das auch nicht so als Fehlprognose gesehen werden kann.“ Es hätten sich die äußeren Umstände geändert.

Die ÖVAG will das laufende Verfahren nicht kommentieren.

AUF EINEN BLICK

Der Wiener Anwalt Ingo Kapschvertritt Anleger, die 2010 und 2011 Partizipationsscheine des Volksbanken-Spitzeninstituts ÖVAG gekauft haben. Grund für die Kaufentscheidung waren positive Meldungen der Bank. Doch bei der Teilverstaatlichung der ÖVAG im Frühjahr 2012 verloren die PS-Scheine einen Großteil ihres Werts. Dazu ist nun ein Prozess anhängig. Die Investoren werfen der Bank vor, in der Vergangenheit „irreführend und/oder falsch“ informiert zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2014)

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