Drei Jahre Roiss: Lieber sicheres als billiges Öl

Raffinerie Schwechat
Raffinerie Schwechat(c) Clemens Fabry
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Der Schwenk Richtung Norden war bestimmendes Element der Ära Roiss. Bisher ein teures Unterfangen.

Wien. Eines kann man Gerhard Roiss nicht vorwerfen: statisch auf festgelegten Positionen zu verharren. Als der Oberösterreicher im Frühjahr 2011 den Job an der Spitze des heimischen Energiekonzerns antrat, lautete seine Strategie: Mehr von der lukrativen Exploration und weniger von den nur knapp schwarzen Zahlen schreibenden Raffinerien und Tankstellen. Dass er die Jahre zuvor als Vorstand für Refining und Marketing gerade für ebendiese Raffinerien und Tankstellen hauptverantwortlich gewesen war, focht ihn dabei nicht an.

Zudem wollte er am Anfang seiner Periode an der Spitze der OMV auch bei der Exploration einen neuen Schwerpunkt setzen: Anstatt Öl sollte die OMV sich ab sofort vor allem auf Gas konzentrieren (dies auch in Form von eigenen Gaskraftwerken außerhalb Österreichs). Und auf einen regional eingeschränkteren Bereich. So meinte Roiss im März 2011: „Gas in Aserbaidschan ist uns wichtiger als Gas in Neuseeland.“ Wie von seinem Vorgänger Wolfgang Ruttenstorfer eingefädelt, sollten die Türkei und die Region des Kaspischen Meers sowie der Nahe Osten im Zentrum der OMV-Welt stehen.

2013: Der große Strategieschwenk

Drei Jahre später sind auch diese Pläne längst wieder Makulatur. Mit Gaskraftwerken verlieren aufgrund der Verwerfungen auf dem Strommarkt in ganz Europa die Energiekonzerne nur Geld. Die OMV hat das Thema nach der Errichtung eines Kraftwerks im türkischen Samsun wieder beiseitegelegt. Da infolge dieser Entwicklungen auch die Gasnachfrage in Europa eher verhalten ist, wurde beim großen Strategieschwenk im Vorjahr das Schwarze Gold wieder zur Priorität Nummer eins erhoben. Die noch größere Veränderung war aber der geografische Schwenk Richtung Norden. Da die lukrativen Förderanlagen in Libyen – von wo einst zehn Prozent der gesamten OMV-Förderung von rund 300.000 Fass pro Tag stammten – aufgrund der politischen Wirren immer öfter stillstanden, und auch im Jemen oder im Nordirak die Situation von Monat zu Monat schwieriger wurde, suchte Roiss sein Heil in der Nordsee. Um fast zwei Milliarden Euro kaufte sich die OMV bei vier Ölfeldern der norwegischen Statoil ein.

Sicheres Öl aus einem europäischen Land. So lautet seither die Devise von Roiss und der OMV. Und wahrlich: Während etwa in Libyen im ersten Halbjahr fast gar nichts produziert werden konnte, geht die Produktion in der Nordsee stetig nach oben und soll zum Ende des Jahres bereits 40.000 Fass pro Tag betragen. Allerdings tauschte die OMV hierbei Sicherheit gegen Profitabilität. Kostet ein Fass Öl aus Libyen zwei Dollar, so sind es in der Nordsee zurzeit 25 Dollar.

Angesichts der Wirren im Nahen Osten kann die Strategie der OMV, auf mehr Sicherheit zu setzen, langfristig richtig sein, kurzfristig bedeutet sie aber vor allem schrumpfende Gewinne. So musste der Konzern im ersten Halbjahr einen Rückgang des Nettogewinns um fast 60 Prozent auf 433 Millionen Euro hinnehmen. Ein Umstand, der zusammen mit der Unsicherheit über die Zukunft des Managements an der Börse für schlechte Stimmung sorgte – der Kurs fiel seit Jahresbeginn um fast 30 Prozent.

Roiss verscherzte es sich mit vielen

Aber es dürften weniger die wirtschaftliche Entwicklung als vielmehr atmosphärische Fragen Roiss schlussendlich den Kopf gekostet haben. So verscherzte er es sich mit Ipic, dem arabischen Syndikatspartner der ÖIAG, gleich am Anfang seiner Zeit an der OMV-Spitze. Ipic wollte im Frühjahr 2011 den gemeinsamen Kunststoffkonzern Borealis vollständig von der OMV übernehmen. Roiss aber sagte Nein. Aus wirtschaftlicher Sicht eine richtige Entscheidung. Borealis entwickelt sich blendend. Der OMV-Eigentümer Ipic verzieh ihm dies aber nie.

Mit der heimischen Politik legte sich Roiss Anfang dieses Jahres an, weil sie nachträglich Steuern erhöhte. Ein inhaltlich verständlicher Schritt, der aber gegen den eigenen Eigentümer gerichtet war. Und zwischen dem Betriebsrat der OMV sowie dem neuen ÖIAG-Aufsichtsratspräsidenten, Siegfried Wolf, und dem leicht aufbrausenden Roiss soll die Chemie ebenfalls bald nicht mehr gestimmt haben. Sodass sich schlussendlich niemand mehr fand, der ihm die Stange halten wollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2014)

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