Russland-Sanktionen: Kapsch warnt vor langfristigen Schäden

GEORG KAPSCH
GEORG KAPSCHAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die enormen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Kiew und Moskau habe die EU bei den Sanktionen nicht genug bedacht, sagt IV-Präsident Kapsch.

Industriellenvereinigung-Präsident Georg Kapsch hat die Sanktionen als falsche Antwort auf das Verhalten von Russland in der Ukraine-Krise bezeichnet. Denn die EU hätte in keiner Weise über die Konsequenzen nachgedacht, kritisierte Kapsch am Donnerstagabend in einem Vortrag bei der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ÖRFG). Ähnlich hatte er sich schon zuvor in einem Interview mit der "Presse" geäußert. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Russland und der Ukraine sei enorm, 80 Prozent des ukrainischen Außenhandels gehe nach Russland. "Haben wir wirklich gedacht, dass Europa diese 80 Prozent der Exporte übernehmen werden?", stellte Kapsch eine mehr rhetorische Frage. Er selbst glaube jedenfalls nicht, dass Europa die Rüstungsgüter der Ukraine übernehmen werde.

49 Prozent des gesamten russischen Handels werde mit der EU getätigt, so Kapsch weiter. 75 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Russland stammen aus Ländern der Europäischen Union. Es gebe eine extrem intensive Verflechtung zwischen den beiden Seiten, sagte Kapsch. Daher werde es auch für die russische Seite nicht einfach sein, die Sanktionen ganz hart zu beantworten. "Das sollte jetzt kein Hoffnungsschimmer sein, das sollte uns vielmehr zum Nachdenken anregen, wie man die Sanktionen mittelfristig beseitigen kann", so der IV-Präsident. Vielmehr warnte er vor einer Verhärtung der Fronten.

Handelströme orientieren sich um

Sanktionen führten nämlich dazu, dass sich die Handelsströme umorientieren. Handelsströme aus Russland, die vorher Richtung Westen gegangt sind, werden sukzessive gen Osten umgelegt. Denn Abnehmer für Öl und Gas finde man in Asien genauso, sagte Kapsch. Zudem hätten Sanktionen bis vor 15 oder 20 Jahren noch gegriffen. Heute sei deren Wirkung begrenzt, zumal Hochtechnologie heute nicht nur aus Europa und USA komme, sondern auch aus anderen Regionen der Erde.

Er warnte davon, dass es viele Jahre dauer werde, bis sich Handelsströme, die sich einmal in eine bestimmte Richutng orientiert haben, wieder umorientieren. Und diese langfristige Schäden würden die die große Gefahr bergen, nicht die kurzfristigen. "Ob die Bauern jetzt in Russland ein paar Äpfel weniger verkaufen und Kapsch dort wegen der Sanktionen ein großes Projekt verliert, werden wir alle ertragen", so der IV-Chef. Dass die EU den Unternehmen aufgrund der Russland-Sanktionen Ausfallentschädigungen bezahlt, lehnt die Industriellenvereinigung ab.

Zudem, so Kapsch, sollten Sanktionen diejenigen stärker treffen, gegen die sie gerichtet sind - nicht die diejeingen, die sie aussprechen. In diesem Fall sei es aber genau andersrum. Das Wifo habe berechnet, dass der Schaden für Österreich ca. 770 Millionen Euro pro Jahr ausmache und 11.000 Jobs betroffen seien.

Großprojekt Breitspur

Ein wichtiges Projekt in den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und Österreich sei das Langzeitprojekt Breitspurbahn. Die Bahn, die etwa 20 Kilometer von der österreichisch-slowakischen Grenze entfernt enden soll,  soll in ein Güterterminal "im Großraum Wien" auf einer Fläche von rund 200 Hektar münden. "Unsere Politiker meinten, wenn wir die Breitspurbahn nach Wien holen, verstärken wir den Straßenverkehr im Land. Das ist vollkommener Unsinn", sagte Kapsch. Durch die Breitspurbahn würde sich die Transportzeit von China in die EU von 23 Tagen auf zehn Tage verringern, und ganz zu schweigen von der wesentlich umweltfreundlicheren Transportmethode.

In diesem Punkt gab es auch Übereinstimmung mit dem Präsidenten der ÖRFG, Ludwig Scharinger. Auch der Ex-Raiffeisen-Banker meinte, dass Österreich diese Synapse brauche, denn Russland seinerseits baue die Breitspur bis Peking aus. Zudem würden in das Güterterminal bei Wien 6,5 Milliarden Dollar investiert werden.

(red./herbas)

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