„Viele glauben, die schwarze Perle macht nächste Woche schon drei Tore."

FIFA-Spielervermittler und Scout für Celtic Glasgow Nick Neururer über den afrikanischen Fußballmarkt

Die Presse: Was ist für Sie reizvoll an der Vermittlung afrikanischer Spieler?

Nick Neururer: Andere Spielermärkte sind viel besser durchforstet. Es ist relativ mühsam in Afrika einen Spieler zu finden und alles in die Wege zu leiten. Es ist aber auch schön, jemanden, der aus armen Verhältnissen kommt, im Fußball zu etablieren.

Welche sind die häufigsten Hürden bei der Vermittlung afrikanischer Spieler nach Europa?

Neururer: Zuerst einmal den Spieler nach Europa zu bringen. Inzwischen sind die Visumbestimmungen und bürokratische Hürden um Kontakte zwischen Verein und Spieler herzustellen so aufwendig geworden, dass es ein schwieriges Unterfangen ist. Je mehr Erfahrungen in einem Land, umso leichter ist es. In Österreich sind diese Erfahrungen sehr eingeschränkt. In Deutschland sieht es besser aus: Es gibt in fast jedem afrikanischen Land eine Botschaft. Wenn ich dagegen einen Spieler aus Burkina Faso nach Österreich einladen will, muss alles über die Botschaft im Senegal laufen. Nur zum Ausfüllen des Visum-Antrages muss er von Burkina Faso nach Dakar fahren, das ist eine Tagesreise. Dann muss er zurück reisen und der Antrag wird in Österreich abgewickelt. Das ist ein relativ umständlicher Behördenweg.

Was sind die Hindernisse in Österreich?

Neururer: Ein Hindernis ist, den Spieler dann in Österreich zu positionieren. Man muss als Spielervermittler die Gewissheit haben, dass der Trainer mit afrikanischen Spielern umgehen kann. Wenn man ihn sich selber überlässt, dann scheitert er alleine schon am Essen: Spricht ein Spieler die Sprache nicht und weiß er im Restaurant nicht, was er bekommt, dann isst er nichts. Mir ist es schon mal passiert, dass ein Spieler drei Wochen zum Probetraining kam und nichts gegessen hat - das kann dann nicht gut gehen.

Eine weitere Hürde ist, dass man vom Spieler und von den Leuten im Klub Geduld erwarten und verlangen muss. Die glauben immer, die schwarze Perle macht nächste Woche schon drei Tore. Das sind Ausnahmen, weil er hochgejubelt wird und dann abstürzt. Die Vereine und auch die Spieler haben oft nicht die notwendige Geduld: Mann muss den richtigen Klub finden, der das richtige Umfeld bietet und die nötige Zeit geben kann - dann funktioniert es.

Ist Österreich attraktiv für afrikanische Spieler?

Neururer: Man möchte meinen, wenn einer aus ärmlichen Verhältnissen in der Elfenbeinküste nach Österreich kommt, dann muss das für ihn paradiesisch wirken und er möchte nichts lieber, als hier bleiben. Aber Fußballer träumen vom „großen Fußball", die wollen wirklich hochgradige, professionelle Fußballer sein. Nach relativ kurzer Zeit bemerken sie, dass der Fußball in Österreich - auch wenn das hart klingt - nicht das gelbe vom Ei ist. Österreich ist eine Durchgangsstation für sie. Und ich hab bis jetzt bei Spielern, die ich betreue, noch nicht erlebt, dass das Leben, die Schönheit und Gemütlichkeit dieses Landes die Spieler so fasziniert hätte, dass sie ihre Ansprüche geändert hätten.

Welche Spieler landen dann hier?

Neururer: Österreich ist besonders gut für kleine afrikanische Länder. Spieler aus Kamerun oder Nigeria haben oftmals Berater, die sie direkt nach England oder in eine große Liga bringen. Aber ein junger Mann aus Mali, der weiß, dass ihn kein Klub direkt nach Frankreich zu einem großen Klub holt. Er kann sich viel besser entwickeln, wenn man ihn nach Österreich oder in die Schweiz bringt. Auch wenn er da wenig Geld verdient, kann er auf sich aufmerksam machen und relativ schnell in der höchsten Liga spielen, zum Stammspieler werden, ins Blickfeld rücken.

Ab wann verdienen Sie an dem Spieler?

Neururer: Die erste Phase, wo man einen Spieler nach Europa holt, ist finanziell und vom Aufwand her immer eine Investition. Daran kann man nichts verdienen. Auch der Spieler hat von seinem schwachen Verdienst nichts abzutreten. Wenn er sich gut entwickelt, bekommt er beim aktuellen oder bei einem anderen Verein einen zweiten, besseren Vertrag. Dann gibt es für den Vermittler eine ordentliche Provision. Wenn dann der übernächste Schritt auch gut gelingt, wenn er an eine große Liga klopft, dann kann ich wirklich gut verdienen, weil der Vertrag ein sehr guter wäre.

Was sind die Voraussetzungen, um erfolgreich Fußball spielen zu können?

Neururer: Neben physischen und technischen Kriterien ist es vor allem der mentale Bereich. Ist der Spieler mental und charakterlich stark genug, um sich in der fremden Welt, in Europa, wirklich durchzusetzen? Reicht seine Willenskraft aus, ist seine Einstellung positiv genug? Mir persönlich ist es wichtig, dass die afrikanischen Spieler nicht vordergründig den „europäischen Lebensstil" anstreben, sondern ihre Familie im Hinterkopf haben und diese unterstützen wollen. Das ist nämlich ein guter Ansporn.

Wie beurteilen Sie den Boom von Fußball-Akademien in Afrika?

Neururer: Wenn Akademien in Afrika etabliert werden, um dort Spieler zu fördern und sie auch schulisch auszubilden, ist das denn schlecht? Die Familie profitiert, der Spieler profitiert, er wird ausgebildet. Er tut sich viel leichter, wenn er dann 18 Jahre alt ist und tatsächlich nach Europa kommt. Ich sehe darin kein Problem. Wenn Klubs oder auch Firmen in Afrika Akademien etablieren, können die Leute davon nur profitieren.

Keine Schattenseiten?

Neururer: Es mag auch Schattenseiten geben. Wenn das jemand z.B. nur aus purem kommerziellem Interesse macht. Doch man wird schnell merken, was für Leute geboten wird, die sich fußballerisch nicht durchsetzen konnten. In Afrika gibt es außerdem Regulierungsmechanismen: Man muss mit den Institutionen, den Ministerien und den Behörden in den jeweiligen Ländern zusammenarbeiten. Sonst ist es ein Schauermärchen, das quasi die bösen Europäer nach Afrika kommen, Akademien gründen und sozusagen die Sahne von der Milch abschöpfen.

Und was ist mit der vielzitierten Ausbeutung afrikanischer Spieler?

Neururer: Das Fußballgeschäft funktioniert nur, wenn es für alle Seiten halbwegs vernünftig ist. Pure Ausbeutung funktioniert im Fußball nicht, auch wenn es manchmal so hingestellt wird. So klug und erfahren sind inzwischen alle Menschen, die sich mit dem Geschäft auskennen, als dass sie wissen: so kann man das mit uns nicht machen.

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