Gericht lässt „Wohnungsdiebstahl“ straflos zu

(c) Harald Hofmeister
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Ein skrupelloser Vermieter wollte einen Mieter loswerden und sperrte ihn kurzerhand aus dessen Wohnung aus. Zivilrechtlich ist diese Art der Selbsthilfe verboten. Strafrechtlich kann sie sanktionslos bleiben.

Wien. In letzter Zeit wird in den Medien vermehrt von Fällen berichtet, in denen Vermieter zu rechtswidrigen Methoden greifen, um unerwünschte Mieter loszuwerden. Dieses Phänomen ist vor allem bei sanierungsbedürftigen Gründerzeithäusern zu beobachten, in denen noch zahlreiche Altmieter mit unkündbaren Verträgen und niedrigem Mietzins wohnen. Diese Objekte sind bei profitorientierten Investoren begehrt: Der Kaufpreis ist geringer, und es besteht die Chance, den Ertrag erheblich zu steigern, wenn es gelingt, die Altmieter aus dem Objekt zu entfernen. Das Haus kann dann gewinnbringend saniert und verwertet werden (z.B. durch Wohnungsabverkauf).

Gelingt es nicht, sich der Altmieter zu entledigen, so werden manchmal in den alten, unsanierten Wohnungen (mitunter mit Gang-WC) größere Familien mit Migrationshintergrund mit befristeten Mietverträgen zu einem überhöhten Mietzins einquartiert. Damit kann gutes Geld verdient und, so hoffen die Vermieter, den Altmietern der Verbleib in ihren „billigen“ Wohnungen verleidet werden. Mieter mit Migrationshintergrund haben es oft schwer, eine Wohnung zu finden, und sind daher eher bereit, Wohnungen in schlechtem Zustand zu überhöhten Zinsen zu mieten. Wegen schlechter Sprachkenntnisse und aus finanziellen Gründen fällt es ihnen oft schwerer, sich gegen rechtswidrige Methoden ihrer Vermieter zu wehren und z.B. Erhaltungsarbeiten gerichtlich einzufordern, überhöhte Mietzinszahlungen zurückzufordern oder unzulässig kurze Befristungen zu bekämpfen.

Manche Vermieter schrecken nicht einmal davor zurück, ausländische Mieter eigenmächtig ohne vorherige Anrufung eines Gerichts aus der Wohnung zu entfernen, indem sie einfach das Schloss tauschen. Zivilrechtlich sind derartige „Räumungen im Selbsthilfeweg“ selbstverständlich verboten: Der Mieter kann beim Zivilgericht eine Besitzstörungsklage einbringen, die Rückstellung der Wohnung verlangen und vom Vermieter Schadenersatz begehren.

Ablöse unter strenger Strafe

Spannend ist aber die Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen Vermieter zu befürchten haben, die zu derartigen rechtswidrigen Maßnahmen der verbotenen Räumung im Selbsthilfeweg greifen. Die erschreckende Antwort ist: unter Umständen gar keine! Dies ist umso unverständlicher, als bereits viel „harmlosere“ rechtswidrige Vorgangsweisen des Vermieters mit drakonischen Verwaltungsstrafen bedroht sind: So sind Verstöße gegen das Ablöseverbot mit Geldstrafen bis zu 22.500 Euro sanktioniert. Wenn aber bereits verbotene Ablösen drakonische Strafen nach sich ziehen, so wäre es unverständlich, wenn die verbotene Räumung eines Mieters im Selbsthilfeweg straflos bliebe.

Die Intensität des Eingriffs in geschützte Rechtspositionen des Mieters ist im Fall der Do-it-yourself-Räumung zweifellos größer, als wenn ein Mieter dem Vermieter freiwillig eine (wenngleich verbotene) Ablöse zahlt. Der soziale Störwert dieses „Wohnungsdiebstahls“ ist erheblich: Immerhin verliert der Mieter durch diesen Willkürakt seine Wohnung und wird in seiner Intimsphäre und seinem Wohnrecht massiv verletzt. Er weiß von heute auf morgen nicht mehr, wo er die nächste Nacht schlafen soll.

Eine Bestrafung des Vermieters wegen Hausfriedensbruchs (§109 StGB) scheidet meist aus: Zwar schützt der Tatbestand das Hausrecht, doch ist er nur erfüllt, wenn sich im Zeitpunkt der gewaltsamen Wohnungsöffnung jemand in der Wohnung aufhält. In den meisten Fällen wird der Vermieter aber einen Zeitpunkt wählen, in dem der Mieter nicht zu Hause ist.

Infrage kommt noch die Sachbeschädigung (§125StGB). In einem aktuellen Fall musste sich ein Vermieter vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Sachbeschädigung durch Unbrauchbarmachung bzw. Beschädigung der Möbel des Mieters verantworten. Der angeklagte Vermieter hat seinen (brav Miete zahlenden) „ausländischen“ Mieter eigenmächtig ausgesperrt, die Wohnung komplett leer geräumt und den gesamten Inhalt in den Keller verräumt und dort „zur Abholung“ bereitgehalten. Dabei wurden Einbaumöbel des Mieters zerlegt, die Kleider in schwarze Müllsäcke gestopft und der mit Lebensmitteln gefüllte Kühlschrank abgesteckt.

Vorübergehend unbrauchbar

Als Sachbeschädigung ist nicht nur das Beschädigen einer fremden Sache strafbar, sondern es genügt auch das „vorübergehende Unbrauchbarmachen“. So hat der OGH judiziert, dass das Auslassen des Reifendrucks bei einem Auto eine Sachbeschädigung darstellt, weil es vorübergehend betriebsunfähig und damit unbrauchbar gemacht wurde. Im Lichte dieser Judikatur liegt eindeutig eine Sachbeschädigung vor, wenn ein Kühlschrank voller Lebensmittel abgetaut wird und Einbaumöbel des Mieters zerlegt und damit (jedenfalls vorübergehend) unbrauchbar gemacht werden. Dennoch sprach das Straflandesgericht den angeklagten Vermieter frei, weil ihm ein Vorsatz gerichtet auf Unbrauchbarmachen der Möbel nicht nachgewiesen werden könne.

Dieses Urteil wirft die Frage auf, ob im zentralen Bereich des Wohnens der Mieterschutz aus strafrechtlicher Sicht ausreichend gewährleistet ist. Wenn verbotene Räumungen im Selbsthilfeweg und das Unbrauchbarmachen von (allenfalls alten und wertlosen) Möbeln, die aber für den Mieter einen Gebrauchswert haben, völlig straflos bleiben und die Strafgerichte hier Milde walten lassen, besteht die Gefahr, dass sich dies gerade bei jenen wenigen Vermietern herumspricht, die skrupellose Methoden nicht scheuen. Macht es Schule, niedrige Mieten zahlende Altmieter oder sozial Benachteiligte aus dem Migrationsmilieu einfach ohne Gerichtshilfe per Selbsthilfe aus der Wohnung auszusperren, ist der Eigenmacht Tür und Tor geöffnet.

Skrupellose Vermieter brauchen sich dann nicht vor einer strafgerichtlichen Verurteilung (und einer Vorstrafe) zu fürchten und können die Wohnung schnell lukrativer vermieten. Der rechtswidrig aus seiner Wohnung entfernte Mieter hingegen muss mühsam den Zivilrechtsweg beschreiten und dort versuchen, seine Wohnung vom Vermieter zurückzubekommen und Schadenersatz für seine allenfalls wertlosen Möbel zu erlangen.


Dr. Bernhard Brehm ist Rechtsanwalt in Wien und war als Privatbeteiligtenvertreter an dem Verfahren vor dem Straflandesgericht Wien beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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