Der Euro muss vor den Richter

Attendees At The International Monetary Fund And World Bank Group Annual Meetings
Attendees At The International Monetary Fund And World Bank Group Annual Meetings(c) Bloomberg (Andrew Harrer)
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Darf die EZB überhaupt „alles tun“, um den Euro zu retten? Darf sie Staatsanleihen kaufen? Diese Frage muss jetzt der Europäische Gerichtshof klären – und der nimmt sich Zeit.

Wien/Luxemburg. Es war das Husarenstück, mit dem sich der italienische EZB-Präsident, Mario Draghi, einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte: Im Jahr 2012 kündigte er an, die EZB werde „im Rahmen ihres Mandats alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten“. Die Märkte interpretierten diese Aussage sofort als Bereitschaft der EZB, auch Staatsanleihen mit frischem Geld aus der Notenpresse zu kaufen – denn den Krisenländern Griechenland und Co. stand das Wasser damals bis zum Hals.

Draghis Bluff funktionierte: Die Spekulanten bekamen kalte Füße, und die Zinsen für europäische Staatsanleihen gingen wieder runter. Und das Beste: Die EZB musste nicht einen Euro drucken und nicht eine Staatsanleihe kaufen – Draghis Worte allein genügten damals, um den Euro zu „retten“. Aber damit der Bluff glaubwürdig sein konnte, wurde sehr wohl ein Programm entworfen – für einen etwaigen Einsatz der Notenpresse.

Dieses Programm trägt, wie in der Welt der Zentralbanken üblich, einen einschüchternden englischen Titel, der sich auch abkürzen lässt: Outright Monetary Transactions oder OMT.

Der Clou bei OMT: Ein Staat, der die EZB zur Finanzierung seiner Ausgaben braucht, muss sich dem strengen Programm des ESM, also des EU-Rettungsfonds, unterwerfen und einen großen Teil seiner finanzpolitischen Souveränität zumindest vorübergehend abgeben. Und siehe da: Bisher hat noch kein Regierungschef nach dem OMT gerufen. Dafür könnte es aber auch einen anderen Grund geben. Denn viele Ökonomen und Politiker in Deutschland halten die Idee von Staatsanleihenkäufen durch die EZB nicht nur für falsch – sondern sogar für illegal.

Richtungsentscheidung

Deswegen steht die EZB inzwischen vor Gericht – und mit ihr der Euro. Und nicht zum ersten Mal: Die bisherigen fünf Verfahren vor dem deutschen Verfassungsgerichtshof wurden allesamt an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet. Und da ist die Frage am Dienstag angekommen. Rund ein Jahr soll es nun dauern, bis der EuGH eine richtungsweisende Entscheidung zu einer Frage abgibt, die sich eigentlich nie hätte stellen sollen. Das sehen zumindest die Kläger so. Die Kläger – allen voran der CSU-Politiker Peter Gauweiler – werfen der EZB vor, mit dem Programm unkalkulierbare Haftungsrisken für den deutschen Haushalt zu schaffen – und damit das Budgetrecht der nationalen Abgeordneten zu verletzen.

Denn wenn die EZB Staatsanleihen kauft – und es dann zu einem Schuldenschnitt oder gar einer Staatspleite kommt, würde Deutschland gemäß seinem EZB-Kapitalanteil von 18Prozent zur Kasse gebeten. Österreich müsste dementsprechend für zwei Prozent der Ausfälle zahlen. Zu dieser Umverteilung sei die EZB aber nicht legitimiert. Sie mache „aus der Währungsunion eine Schuldenunion“, so die Kläger.

Ein Urteil des EuGH könnte eine Antwort auf die Frage bringen, ob die EZB mit dem OMT-Programm „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ betreibt – was ihr eigentlich verboten ist. Der EZB-Vertreter Hans-Georg Kamann betonte, dass die Preisstabilität im Euroraum 2012 „ersthaft gefährdet“ gewesen sei. Damit will er argumentieren, dass das OMT-Programm mit der wichtigsten Aufgabe der EZB vereinbar ist, der Schaffung von „Preisstabilität“. Aber im Grunde ist das Argument der EZB simpler: Der Euro sei damals in seiner Existenz gefährdet gewesen – das rechtfertige den Schritt. Außerdem seien ja bisher gar keine Staatsanleihen gekauft worden.

Für den Euro ist das Verfahren, dessen Ergebnis erst in einem Jahr zu erwarten ist, in jedem Fall eine wichtige Entscheidung. Weniger als zwei Jahrzehnte nach ihrer Einführung findet die Gemeinschaftswährung sich vor Gericht wieder, und die EZB muss ihre Krisenentscheidungen erläutern.

Pessimisten können jetzt sagen, dass der Euro nicht funktioniert. Dass man eine Währung nicht verklagen könne. Aber Optimisten können sagen, dass der Euro genau so funktioniert, wie er entstanden ist: als Kompromiss verschiedener ökonomischer Sichtweisen – der deutschen Hartwährungsperspektive und der südeuropäischen Tendenz zur weichen Währung. Und dass der EuGH lediglich überprüft, ob der Kompromiss noch intakt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2014)

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