EU-Kommission geht gegen ungarisches Bodengesetz vor

Maisernte
MaisernteAPA/dpa
  • Drucken

Verstößt das ungarische Bodengesetz gegen EU-Recht? Dieser Frage geht Brüssel nun in einem formellen Vertragsverletzungsverfahren nach.

In der Frage der strittigen ungarischen Bodengesetze geht die EU-Kommission nun gegen Ungarn rechtlich vor. Wegen Beschränkung der Rechte ausländischer Investoren auf Nutzung landwirtschaftlicher Flächen eröffnete die EU-Kommission in Brüssel am Donnerstag ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn. Von den Gesetzen sind auch zahlreiche österreichische Bauern betroffen: Laut österreichischem Landwirtschaftsministerium bewirtschaften rund 200 Landwirte rund 200.000 Hektar in Ungarn.

In Form eines Fristsetzungsschreibens wurde Ungarn aufgefordert, binnen zwei Monaten eine Stellungnahme zu den Fragen der EU-Kommission abzugeben. "Nach Auffassung der Kommission beschränken die ungarischen Rechtsvorschriften die Rechte ausländischer Investoren in einer Weise, die möglicherweise gegen das EU-Recht zum freien Kapitalverkehr und zur Niederlassungsfreiheit verstößt", teilte die EU-Behörde mit.

Übergangsfrist von lediglich viereinhalb Monaten

Konkret beanstandet die EU-Kommission eine Bestimmung aus dem ungarischen Gesetz vom Dezember 2013, mit dem bestimmte Nießbrauchverträge am 1. Mai 2014 beendet werden. Den Nießbrauchern wurde nach Angaben der Kommission eine Übergangsfrist von lediglich viereinhalb Monaten eingeräumt. Damit sei die zuvor angekündigte Übergangszeit von 20 Jahren hinfällig geworden.

"Die Investoren waren auf der Grundlage dieser zuvor bekannt gegebenen Übergangszeit davon ausgegangen, dass sie die Grundstücke weiter nutzen könnten, und haben entsprechende Investitionsentscheidungen getroffen. Das neue Gesetz scheint sie nun ihrer erworbenen Rechte und des Wertes ihrer Investitionen zu berauben", erklärte die EU-Kommission.

Ferner beanstandet die EU-Kommission eine zweite Bestimmung desselben Gesetzes, die für bestimmte, vor mehr als 20 Jahren geschlossene Pachtverträge eine sehr kurzfristige einseitige Beendigung ermöglicht. Diese Bestimmung gebe "Anlass zu ähnlichen Bedenken wie die Beendigung der Nießbrauchverträge", erklärte die EU-Behörde.

Spannungen zwischen Österreich und Ungarn

Das Bodengesetz hatte immer wieder zu Spannungen zwischen Ungarn und Österreich geführt. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hatte in einem Schreiben an seinen ungarischen Amtskollegen Sandor Fazekas sein "Unverständnis" darüber ausgedrückt, dass von Ausländern legal erworbene Nutzungsrechte an ungarischen Agrarflächen ihre Gültigkeit verlieren sollen.

Rupprechter begrüßt das EU-Verfahren. "Ich bin froh über diese dringend notwendige Unterstützung aus Brüssel gegen diese Entrechtung", so Rupprechter. Rupprechter erwartet, dass Budapest nun auf die Sorgen der betroffenen Landwirte eingehen wird. Es müsse "so schnell wie möglich eine konstruktive Lösung" für die österreichischen Bauern gefunden werden. "Es kann nicht sein, dass österreichische Landwirte ihre über Jahre getätigten Investitionen entschädigungslos verlieren. Zehn Jahre nach dem EU-Beitritt muss auch in Ungarn EU-Recht gelten."

Vorgeschichte

1994 war Ausländern der Kauf ungarischen Bodens verboten worden. Mit diesem Verbot wollte sich Ungarn vor dem billigen Aufkauf seines Bodens durch ausländische Spekulanten schützen. Deswegen wurden zwischen 1994 und 2001 zahlreiche gesetzeskonforme Nießbrauchverträge abgeschlossen, mit denen der ungarische Grundeigentümer dem ausländischen Nutznießer den Boden auf Lebenszeit oder für 99 Jahre überlässt. Im Gegensatz zu Pachtverträgen wird bei Nießbrauchverträgen der gesamte Preis für den Nießbrauch bei Vertragsabschluss bezahlt. Erst Jahre später werden nun diese Nutznießverträge für gesetzwidrig erklärt.

In einem EU-Vertragsverletzungsverfahren kann die EU-Kommission in einem nächsten Schritt eine begründete Stellungnahme abgeben. Sollte Ungarn dann auch nicht die Einwände der EU-Kommission aus dem Weg räumen können, kann die EU-Behörde das Land vor dme Europäischen Gerichtshof verklagen.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Maisernte Mähdrescher und Häcksler
International

Ungarn: Grundeigentümer erntet Mais von ausländischem Bauern

Das neue Bodengesetz führt zu skurillen Situationen. Ausländischen Nießbrauchnutzern droht eine Löschung ihres Rechts ohne Entschädigung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.