Lehrer kritisch zu Bildungsstandards

AHS-Gewerkschafterin Scholik: „Nicht-Erreichen keine Dienstpflichtverletzung“.

WIEN. Kritisch beurteilt die Bundessektionsvorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft Eva Scholik die Überprüfung von Bildungsstandards für ihren Berufsstand. Bei einer Podiumsdiskussion in der vergangenen Woche fragt die Lehrergewerkschafterin: „Wem nützen solche Standards?“ Bei derartigen Standards handle es sich ja für die meisten Experten um eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf.

Für Lehrer seien sie aber ein Instrument des Bildungsmonitorings. Scholik begrüßt vorerst auch das im Begutachtungsentwurf fixierte Modell der Leistungsbeurteilung: Lehrer erhalten Testergebnisse für die gesamte Klasse, nicht für einzelne Schüler; Direktoren für die gesamte Schule, nicht für einzelne Klassen bzw. deren Lehrer. „Die entstehende Rückmeldekultur wird auch zu einer Veränderung des Unterrichts führen“, so Scholik. Schwächen könnten leichter erkannt und adäquate Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Leistungstests nicht geeignet

Für die Evaluation des Lehrerfolges seien Leistungstests dagegen ungeeignet: „Wenn trotz Bemühens der Lehrer die Schüler das Ziel der Bildungsstandards nicht erreichen, so kann das nicht als Dienstpflichtverletzung der Lehrer gewertet werden“, so die AHS-Sprecherin. „Es kann ja auch Zahnärzten nicht die Karies ihrer Patienten angelastet werden, wenn letztere es an der geforderten Mundhygiene mangeln lassen.“

Eine Gefahr sieht Scholik darin, dass Lehrer in Zukunft zu sehr auf die bloße Erfüllung formeller Standards hinarbeiten könnten. Sinnvoller wäre, die Testergebnisse einzelner Schüler offen zu legen und Lehrern und Eltern die Möglichkeit einzuräumen, im Gespräch individuelle Strategien für den Lernerfolg des Kindes zu finden.

„Bildung betrifft uns alle und dauert ein Leben lang. Die nun beschlossenen Standards sind nur ein Zwischenschritt auf einem langen Weg“, führt die Wiener Stadträtin Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP), die Gastgeberin der Veranstaltung war, aus. Auf diesem Weg seien nicht nur viele Potenziale, sondern auch Gefahren zu erwarten. Wie diese aussehen könnten, beschrieb der Philosoph Konrad Paul Liessmann: Er warnte eindringlich vor einer Zukunft, in der sämtliche Ausbildungen kategorisiert und vorgegeben sind. Bildungsstandards, so Liessmann, dürften nicht zu „geheimen Lehrplänen“ werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2008)

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