Hallo, Herr Bundeskanzler?

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYERAPA/BKA/REGINA AIGNER
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Wir stehen vor einer weiteren Rezessionsphase. Unterschied zur vergangenen: Wir haben kein Geld zur Bekämpfung derselben. Aber denselben Kanzler.

Er gilt als einer der wichtigsten Industriellen, pflegt eine klare Sprache und ist nicht der Typ von Manager, der schnell verzweifelt. Doch wenn es um die Standortpolitik geht, die nicht nur aus den Themen Steuern und Energiekosten besteht, wird der Mann ärgerlich. Ob in Wien oder Brüssel: Bis auf wenige Ausnahmen reagieren die meisten Verantwortlichen der Union oder Österreichs mit der Taktik kleiner Kinder oder der drei berühmten Äffchen. Sie halten sich die Hände vor die Augen und sehen so weder Problem noch Ursachen dafür. Im Gegenteil: Wer vor dem Niedergang Europas und seiner kleinen Staaten warnt, wird in das Kassandra-Eck bugsiert und darf Vorträge über Dankbarkeit und die hohe Sicherheit in Europa angesichts naher Kriegshandlungen über sich ergehen lassen. Der Einwand, dass eben diese Konflikte das wirtschaftspolitische Krisenpotenzial erhöhen, wird überhört.

Die Frustration über das anhaltende Nichtverständnis der Politik steigt in der österreichischen und europäischen Wirtschaft – obwohl und auch weil seit 2008 in jeder Sonntagsrede betont wird, wie robust die Wirtschaft im Land der Krise trotzt. Was doch der Regierung zuzurechnen sei. Ist es nicht. Wenn wir nun vor der nächsten Phase einer Rezession stehen, ist das nicht die Schuld böser Spekulanten oder gemeingefährlicher Banker, sondern ausschließlich die der Politik. Der europäischen Politik. Denn es sind vor allem die EU-Staaten – allen voran der französische Patient, der alle anzustecken droht –, die ins nächste wirtschaftliche Fiasko taumeln. In Österreich versuchen Wirtschaftsforscher zwar noch, Daten auf Empfehlung der Bundesregierung ein bisschen schönerzurechnen, Marktberichte schauen leider anders aus: In fast allen Branchen scheint die vorsichtig positive Stimmung der ersten Monate dieses Jahres völlig verschwunden. Und auch wenn der massive Rückgang an den Börsen etwas anderes nahelegen mag: Die USA liegen weit besser als Europa.

Warum? Von der neuen günstigen Energieerzeugung in den USA abgesehen: Bis auf die wenigen Länder, die zur Redimensionierung staatlicher Segnungen wie Irland und wohl Griechenland gezwungen wurden, verzichtete die Politik in Ländern wie Frankreich, Deutschland, aber eben auch Österreich auf grundlegende Reformen des Staatshaushalts. Selbst jetzt werden Umstrukturierungen des Staates in Wien nicht wegen der Notwendigkeit von Reformen und dem Abbau des Schuldenbergs diskutiert. Nein, mögliche Einsparungen sollen die notwendige Steuerreform finanzieren. Wären einige ernste und mitunter schmerzhafte Einschnitte und Veränderungen in den vergangenen drei Jahren angegangenen worden, wir stünden am Vorabend der nächste Delle wesentlich besser gerüstet da. Vor diesem wirtschaftlichen Szenario haben übrigens genügend Ökonomen gewarnt. Nun fehlt schlicht das Geld für Abgabensenkungen und notwendige Investitionen in Forschung und Bildung. Das wird möglicherweise noch eine bittere Lektion: Die Dämpfung steigender Kosten wird zur Budgetnotmaßnahme umgewandelt werden. Die Steuerreform wird zu einem Teil sehr wohl so beschlossen werden, wie das bisher eigentlich ausgeschlossen gewesen ist: auf Pump, wie Deutsche es formulieren würden.


Was passiert in Österreich angesichts dieser volkswirtschaftlichen Misere? Ganz einfach: Staatsmanager – die gibt es nur in Europa und weniger demokratischen Landstrichen der Welt – und Politiker streiten um Macht und Zugriff in der Staatsholding. Es geht dabei im Kern nicht um Strategien oder gar Schuldenabzahlung durch Privatisierungserlöse, sondern um persönliche Vorteile der Herren und Einfluss für die jeweilige Partei (oder das jeweilige Ressort). Einmal mehr lenkt das Theater von dem großen Bild und auch von dem eigentlichen Verantwortlichen in Österreich ab: dem Bundeskanzler. Werner Faymann glaubt offenbar ernsthaft, mit Durchtauchen auch diese Krise durchstehen zu können. Das wird nicht funktionieren. Nur zur Erinnerung: In Deutschland waren es die Sozialdemokraten Gerhard Schröders, die mit ihrer Agenda 2010 den Grundstein für die nun zu Ende gehenden fröhlichen Angela-Merkel-Jahre bildeten. Auch Faymann lebte von Vorgängern. Nun wird es trist für ihn. Und leider auch für das Land.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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