Musikverein: Tönende Beweise wienerischer Tradition

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Barbara Mosers umjubeltes neues Solo-Programm im Brahmssaal – und demnächst in Ö1.

Sie ist längst vom Nesthäkchen zur fixen Größe im Wiener Musikleben geworden: Die Klavier-Recitals von Barbara Moser im Musikverein ernten sozusagen gewohnheitsmäßig Jubelstürme, denn die Pianistin brilliert mit virtuosem Repertoire – aber sie hält auch eine wienerische Musiziertradition hoch, die sich vom massigen, in aller Welt gepflegten Sourround-Sound-Ton wohltuend unterscheidet.

Dass sie Franz Liszt wie kaum ein anderer Interpret unserer Zeit in den Mittelpunkt ihres Repertoires gerückt hat, und dennoch keine oberflächliche Bravour-Tatentigerin geworden ist, spricht Bände. Auch diesmal bildeten Liszt'sche Schubert-Bearbeitungen und Stücke aus dem dritten Band der „Années de pèlerinage“ den zweiten Teil des Solo-Abends, wobei Barbara Moser schon bei früheren Gelegenheiten des öfteren demonstriert hat, wie selbstverständlich sie die Vorwegnahmen späterer expressionistischer oder impressionistischer Errungenschaften in Stücken wie den „Wasserspielen der Villa d'Este“ aus dem angestammten Vokabular des Komponisten heraus zu entwickeln versteht.

Natürlich, ungeschminkt, von instinktiver Stilsicherheit getragen auch ihr Zugang zu Beethoven und Schubert. Die „Les Adieux“-Sonate zu Beginn, ohne jegliche melodramatische Färbung der Abschieds- und Abwesenheits-Szenarien, bestechend deutlich modelliert in der Struktur und vor allem im Finale von einer aus der Musik und ihren rasanten Läufen entwickelten, jubelnden Brillanz, die der Wiedersehensfreude, die der Titel suggeriert, in einem Geist Ausdruck verleiht, den der Komponist für seine „Pastorale“ einforderte: „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei.“


Keine Übermalungen und Schüttbilder

Keine „Übermalungen“ auch bei Schuberts „Wandererfantasie“, in der Moser selbst in den gefürchtetsten Passagen die Nerven bewahrt – und den Fuß so oft wie möglich vom Pedal nimmt. Sie muss nichts verschwimmen lassen, artikuliert deutlich und leuchtet das Stimmengeflecht sauber aus – und gerade die damit erreichte Klarheit, vermehrt um das profunde Wissen um kompositorische Feinheiten wie etwa die Abstufungen der Dur-Moll-Wechsel im langsamen Satz, lässt die emotionalen Konnotationen der Musik unmittelbar fühlbar werden. Dass Liszts Bearbeitung des „Wanderers“ der Aufführung voranging, potenzierte die beeindruckende Wirkung der Darbietung: Da war schon zu bestaunen, wie, wenn eine Musikerin wie Barbara Moser es denn auszudrücken vermag, im Kontext der Schubertschen Weltsicht sogar eine Liszt'sche Klavierkoloratur geradezu erschreckende Dimensionen annehmen kann. Es gibt, lernt man da, auch eine Virtuosität des innigen Verständnisses für die musikalischen Inhalte.

Übertragung in Ö1: 17. Juni, 10.05 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2008)


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