Literatur, im Wörther See versenkt

Beim Wettlesen zum Bachmann-Preis wird alles den Erfordernissen des TV, der Marke untergeordnet. Ein Text ist aber kein Waschmittel.

Die einst brisante geistige Atmosphäre beim Bachmann-Preis ist der Performance einer Produktpräsentation gewichen. Was zählt, sind Marke und Moderator statt Ganglien und Gehirnschmalz. Die Reformen, die man dem Wettbewerb verordnet hat, erinnern an jene in der Politik. Was als „alles wird besser“ daherkommt, bedeutet oft Verschlechterungen. So gibt es jetzt statt drei nur noch zwei „Tage der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt und statt 18 nur noch 14 Lesende. Deren Texte werden nur von sieben statt bisher neun Juroren verhandelt. Mag sein, dass diese Verknappung die Veranstaltung kompakter macht. Was jedoch verstimmt, ist die Tatsache, dass inzwischen alles den Erfordernissen des Fernsehens untergeordnet wird. Es interessiert die Veranstalter offenbar überhaupt nicht mehr, dass in der Literatur geistige Dinge verhandelt werden, die nicht ohne Schaden zu nehmen wie Gegenständliches zu behandeln sind. Ein Text ist kein Waschmittel.

Nun ist klar, dass ohne Fernsehen und Internet ein solcher Bewerb nicht möglich wäre. Man hat sich in 20 Jahren ja auch daran gewöhnt, dass ständig eine Kamera stört. Aber wie weit darf man mit den Zurichtungen für die Retorte gehen, ohne der Veranstaltung jeglichen eigenen Zuschnitt zu nehmen? „Lesen ist der einzige Ort, wo es noch Intimität gibt“, sagte der Schweizer Juror André Vladimir Heiz. Vielleicht hat H. P. Maya deshalb das ORF-Theater als Unterwasser-Raum gestaltet und optisch in den Tiefen des Wörther Sees versenkt. (Bericht: S. 27)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2008)

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