Nicholas Ofczarek: „Da träume ich ziemlich apokalyptisch“

(c) Burgtheater (Hans Jörg Michel)
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Burgschauspieler Nicholas Ofczarek verrät, was ihn mit Zusehern verbindet und von Kritikern trennt.

Outrieren? Bei diesem Richard III. in den sieben Stunden dauernden Rosenkriegen? Aber nein, das wäre doch viel zu anstrengend.“ Nicholas Ofczarek lacht über seinen gelungenen Konter auf die Frage, ob er die Titelrolle in der derzeitigen Produktion des Burgtheaters nicht übertreibe. „Die Rolle ist natürlich keine fein ziselierte, psychologische, aber man kann sie auf hundert Arten spielen. Es ist auch nicht meine endgültige Interpretation. Ich finde den Richard nicht nur garstig, sondern auch charmant. Man kann so viel aus ihm herauslesen. Er ist nicht nur ein Psychopath, sondern hat auch kindliche Züge.“

In dieser Saison hat der außerordentlich fleißige Star des Burgtheaters eine besondere Leistung vollbracht; große Rollen im Shakespeare-Zyklus, dazu noch Grillparzer, Nestroy, Stephens – und jetzt als Draufgabe Sommerfestspiele in Reichenau. Dort wird er ab 13.Juli zusammen mit Nicolaus Hagg eine Hommage an den Kabarettisten Karl Farkas spielen, die Revue Parkbank-Philosophen. „Das haben wir im Februar geprobt, es sind anarchische Texte, wir spielen sie zum 20. Jubiläum von Reichenau, die haben mit Farkas begonnen. Wir wollen aber nicht so einfach eine Doppelconference kopieren, das haben andere schon besser gemacht. Es ist ein durchgehendes Stück, das Hagg und ich erarbeitet haben.“

Wochenlange Proben ohne Tageslicht

Derzeit ist Ofczarek omnipräsent. „Es gab Gastspiele mit Höllenangst in München, mit Maß für Maß in Köln und Wiesbaden. Dort kommen die Aufführungen komischerweise besser an als in Wien. Die spüren, dass es ziemlich derb ist, verstehen den Dialekt aber nicht.“ Und jetzt ist er bereits für den Herbst mit dem Weibsteufel an der Burg beschäftigt. Zuletzt mit zwei Nestroy-Preisen als bester Schauspieler bedacht, stapelt Ofczarek tief: „Sechs Stücke pro Saison sind für mich normal, nur ein Abend mit sieben Stunden ist halt ungewöhnlich. Man muss eine Ökonomie finden. Erst um drei viertel zehn mit Richard III. anfangen ist schon schwer, da haben die Zuseher bereits fast fünf Stunden Heinrich VI. hinter sich. Wenn der Abend nach Mitternacht zu Ende ist, kann ich bis drei Uhr nicht schlafen, so aufgeladen bin ich dann. Da träume ich schon ziemlich apokalyptisch.“ So hinüber sei er wirklich noch nie gewesen. Allein die wochenlangen Proben im Frühjahr! „Tageslicht kannte ich nicht. Der Frühling ist an mir unbemerkt vorbeigegangen. Ich freue mich jetzt auf die Sommerpause. Im Herbst werden wir den Abend auch teilen, da bin ich auf den Richard III. als Solo neugierig.“

Ein aufsehenerregender Diener

Was ist bei diesem Autor am einprägsamsten? „Wenn man Shakespeare liest, ist er gut, aber wenn man ihn spielt, dann lebt er. Er ist einer von uns. Da öffnen sich Räume, die spürt man nur.“ Ein Shakespeare-Stück war auch die Eröffnung für Ofczarek 1994 am Burgtheater. Da war er 23. „Ich habe eine kleine Rolle bei Wolfgang Engel im Titus Andronicus gespielt. Mir war dann klar, dass ich bald wieder gehen müsste. Ich hatte keine Lobby, kam nicht vom Reinhardt-Seminar. Ich habe mir schwergetan. Dann hat Karlheinz Hackl Romeo und Julia inszeniert. Der hat mich genommen, weil ihm der Name Ofczarek durch meinen Vater (Opernsänger wie die Mutter) geläufig war. Ich spielte den Diener der Amme. Das war ein Riesenerfolg für mich, ich durfte die Rolle ausbauen. Danach habe ich gleich drei Hauptrollen bekommen.“

Wie kriegt man solche Rollen in einem Haus mit 120 Schauspielern? „Da ist viel Glück dabei. Und Leistung natürlich. Ich war im Burgtheater eigentlich schon abgeschrieben, ehe meine Karriere begann. Claus Peymann hat mir geraten, ich solle nach Heilbronn gehen. Ich habe ihn gebeten, noch abzuwarten und mich anzuschauen. Dann habe ich Regisseure interessiert. Wenn du Erfolg hast und dich jeder will, musst du auch strategisch vorgehen und lernen, nein zu sagen, wenn du nicht in eine Ecke gedrängt werden willst.“

Was sind also für den arrivierten Schauspieler die Traumrollen, für die sich dieser anstrengende Beruf lohnt? „Sie meinen, ich gehe da rauf zum Direktor und sage, ich will diese Rolle spielen? Das tue ich nicht. Aber ich sage nicht nein, wenn mir zum Beispiel Stephan Kimmig den Richard anbietet. Eigentlich habe ich gedacht, den spielt man mit 45, nicht mit Mitte 30. Und als ich erfuhr, dass Martin Kusej mich auf der Liste für Höllenangst hatte, habe ich schon deponiert, ein einziges Mal, dass ich den Wendelin spielen will. Alles andere hat mich nicht interessiert. Kusej war zuerst skeptisch. Ich habe ihn überzeugt.“

Die Stimmung hier im Haus sei derzeit sehr kollegial. „Unter Klaus Bachler ist ein exzellentes Ensemble entstanden. Das sind gute Voraussetzungen für den künftigen Direktor Matthias Hartmann.“

Was sind Ofczareks Reservate? „Ich stehe um sieben Uhr auf, da gibt es erst einmal Familie.“ (Er ist mit der Schauspielerin Tamara Metelka verheiratet, sie haben eine Tochter.) „Man hat ja noch ein Leben neben dem Theater. Für den Sommer freue ich mich schon auf das exzessive Lesen. Sonst ist es übers Jahr das intensive Erarbeiten von Dramen.“ Und wie merkt er sich die vielen Rollen? „Vieles vergisst man, aber bei Wiederaufnahmen geht man nach ein, zwei Jahren wieder zur ersten Probe, denkt sich, ich weiß doch gar nichts mehr, aber wenn man auf der Bühne steht, erfährt man, dass sich der Körper alles gemerkt hat. Schon ist man wieder drin. Der Text kommt wieder über das Spielen zurück. Bei einer neuen Rolle ist das Textlernen für mich eine Höllenqual, ich brauche die sinnliche Erfahrung dazu. Mit dem Körper merke ich mir jeden Text. Man geht die emotionalen Wege durch. Das mache ich auch auf der Straße. Da werde ich manchmal schon recht komisch angeschaut, wenn ich den Richard übe. Die Leute halten mich dann wahrscheinlich für einen Narren.“

„Fortschritte gibt es nur übers Scheitern“

Was ist unangenehm am Job? „Ich habe einen schönen Beruf, aber ich hadere immer wieder damit. Für mich gibt es bei den Proben nur Fortschritte über das Scheitern, weil ich anfangs nie weiß, wie es geht. Ich bin nie routiniert. Übers Scheitern ist dieser Beruf zuweilen sehr peinlich. Besonders schlimm ist es, wenn dann auch der Regisseur völlig ratlos ist. Einfach ist es nie, das Proben ist immer eine Krise. Sie werden es nicht glauben, es kostet mich schon was, auf die Bühne zu gehen. Die Routine besteht nur darin, dass man mit der Qual besser umgehen kann.“

Auch Kritik schmerzt. „Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass mich Verrisse nicht verletzten. Aber der Schmerz ist sehr kurz. Besonders ärgert mich, wenn einer nicht einmal schreiben kann, wenn er Sachen sieht, über die sich alle wundern, weil niemand sonst das sieht. Bei den Rosenkriegen habe ich mich krankgeärgert, als ich einen Kritiker mit einem iPod am Ohr gesehen habe. Aber Kritiken sind halt eine Meinung, sind zuweilen ungerecht oder bloß taktisch-politisch. Die lese ich einfach nicht. Manche Journalisten schreibe ich einfach ab. Gib ihnen keine Energie! Als Profi stehe ich voll hinter dem Produkt, das ich gerade schaffe. Mit dem beschäftige ich mich monatelang, weiß Bescheid über Stärken und Schwächen.“ Wenn er andere Aufführungen sehe, sei er heute weniger arrogant als früher. „Ich weiß, was für eine Arbeit dahintersteckt, was alles schiefgehen kann.“

Die Arbeit mit den Kollegen ist immer etwas Besonderes, die Verbindung zum Publikum etwas Einmaliges. „Gegenwärtig ist es fantastisch, die letzten Jahre mit guten Regisseuren waren freudvoll. Es könnte nämlich auch ganz schön zickig sein. Wichtig ist, was auf der Bühne verhandelt wird. Die Bemerkung, der war sehr gut, der nicht, ist nebensächlich. Wenn Schauspieler miteinander spielen, entsteht ein Zauber. Darum geht es ja. Darin kann sich der Zuschauer erkennen. Ich glaube daran, dass der Mensch, der da im Theater sitzt, diese Ebene spürt, dass sich zwischen diesen Schauspielern etwas abspielt. Auf diese magischen Momente kommt es an.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2008)

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