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Plassnik über Faymann: „Ich kenne ihn nicht“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Ursula Plassnik über ihre neue Heldenrolle, den radikalen Kopfstand der SPÖ, den „schäbigen“ Kanzler und den telefonisch unerreichbaren Hans Dichand.

Die Presse: Frau Minister, wie fühlen Sie sich als neue Heldin des Pro-EU-Lagers?

Ursula Plassnik: Ich bin keine Heldin. Sondern nur jemand, der seinen Standpunkt konsequent vertritt. Nur ist die Aufmerksamkeit derzeit höher als sonst.

 

Selbst im sonst ÖVP-kritischen „Falter“ waren Sie „Hero der Woche“.

Plassnik: Das war kein Motiv für meine Vorgangsweise. Mir ging es um Selbstachtung und darum, klarzustellen: konstruktive Kritik an der EU – gern! Aber mit fliegenden Fahnen ins Lager der EU-Gegner zu wechseln, das ist für eine Partei, die sich bisher als staatstragend verstanden hat, keine kluge Option. Und es geht mir um klare Positionen für die österreichischen Europafreunde.

 

Kanzler Alfred Gusenbauer sagt in der „Süddeutschen Zeitung“: „Wir haben in Österreich nur noch 28 Prozent Zustimmung zur EU, ein Drittel harte Gegner und dazwischen die Skeptiker. Wenn man sich nicht bald um die Skeptiker kümmert, hat man bald 50 Prozent oder mehr harte EU-Gegner.“ Hat doch was für sich, oder?

Plassnik: Ja, aber die Umfrage, die Gusenbauer zitiert, wurde am Höhepunkt der Anti-EU-Kampagne der „Kronen Zeitung“ gemacht – erinnern Sie sich an die Schlagzeilen „Verfassungsbruch im Parlament“ oder „Tag des Verrats an Österreich“. Von der „Krone“ wurde also ein maßgeblicher Beitrag zur Verunsicherung der Bevölkerung geleistet. Selbstverständlich muss man auf die EU-Skeptiker eingehen. Die Frage ist allerdings, wie: durch verstärkte Überzeugungsarbeit und Gestaltungswillen, durch Leadership, wie das in der Politik sein sollte. Oder durch Kapitulation, indem ich einfach zu den EU-Gegnern überwechsle. Da hat der Bundeskanzler einen Rubikon überschritten – aber leider in die falsche Richtung.

 

Der Vorteil einer Volksabstimmung wäre aber, dass sich die Politiker bemühen müssten, den Bürgern die EU zu erklären. Eine Kraftanstrengung, die sich – wie 1994 – möglicherweise lohnen würde.

Plassnik: Wer hat den Kanzler bisher davon abgehalten, sich mehr anzustrengen? Und alle anderen? Es ist traurigerweise so, dass man für manche Themen nur durch Konflikt höhere Aufmerksamkeit erzielen kann. Ich bleibe davon überzeugt: Gerade in einer komplexen Frage wie der EU wird man durch die Schaffung von Feindbildern sein Ziel nicht erreichen. Umfallen bringt kein Vertrauen.

 

Gerüchten zufolge wurde Gusenbauer von Faymann mehr oder weniger genötigt, beim Aufsetzen des Briefs an den Herausgeber der „Kronen Zeitung“ mitzumachen. Halten Sie das für möglich?

Plassnik: Ich will darüber nicht Mutmaßungen anstellen. Faymann und Gusenbauer haben diese Vorgangsweise zu verantworten.

 

Haben Sie eine Erklärung für den Gesinnungswandel Gusenbauers?

Plassnik: Ich glaube nicht, dass es ein Gesinnungswandel ist. Für ihn heiligt ja der Zweck die Mittel. Ich glaube, das war wohl eine Verzweiflungstat zur Eigenrettung. Jedenfalls ein Versuch mit völlig untauglichen Mitteln.

 

Was halten Sie von Werner Faymann?

Plassnik: Ich kenne ihn nicht.

 

Sie sitzen seit eineinhalb Jahren mit ihm jede Woche gemeinsam am Ministerratstisch.

Plassnik: Die beiden Aussagen widersprechen einander nicht.

 

In besagtem „Süddeutsche“-Interview sagt Alfred Gusenbauer auch: „Für mich ist interessant, dass es scheinbar einen bereits längeren Gesprächs- und Verhandlungsprozess zwischen dem Herausgeber der Kronen Zeitung und der Frau Außenministerin gegeben hat. Sie hat uns nur mitgeteilt, worauf sie sich nicht geeinigt haben. Vielleicht teilt sie uns auch mit, worauf sie sich geeinigt haben.“ Teilen Sie ihm das mit?

Plassnik: Einfach schäbig. Hat es der Regierungschef jetzt schon notwendig, dass er den eigenen Außenminister anpatzt? Ich habe übrigens keinerlei Deal, keinerlei Abmachungen mit Herrn Dichand.

 

Hat sich Hans Dichand nach Ihrem mit „Unbeeindruckt. Ursula Plassnik“ gezeichneten Brief bei Ihnen gemeldet?

Plassnik: Nein. Aber ich versuche seit Tagen, ihn telefonisch zu erreichen – vergeblich. Denn ich finde, dass in der „Kronen Zeitung“ auch der zweite Teil meines Briefes veröffentlicht werden sollte. Das wäre ein Akt der journalistischen Redlichkeit und der Fairness gegenüber den Lesern der „Krone“. Da steht auch drinnen, dass ich kein Feind der „Kronen Zeitung“-Leser oder von Hans Dichand bin. Er war 1994 ja auch EU-Befürworter.

 

Was bedeutet die aktuelle Debatte für den EU-Beitritt Kroatiens?

Plassnik: Auch hier habe ich mit der größtmöglichen Verblüffung den Wortlaut des Faymann-Gusenbauer-Schreibens gelesen. Demzufolge müsste es eindeutig eine Volksabstimmung vor einem Beitritt Kroatiens geben. Weil davon die Interessen Österreichs berührt würden.

 

Der Kanzler sagt aber, von einer Volksabstimmung in Österreich vor einem EU-Beitritt Kroatien sei nie die Rede gewesen.

Plassnik: Warum schreibt er das dann so in seinen Brief?

 

Soll die ÖVP die Koalition aufkündigen?

Plassnik: Ich kann nur feststellen, dass die Außen- und Europapolitik, die bisher von Gemeinsamkeit geprägt war, nunmehr auch in die Streitzone geraten ist. Durch einen radikalen Kopfstand des SPÖ-Führungsduos.

 

Das klingt sehr danach, als würde es mit der SPÖ nicht mehr gehen.

Plassnik: In meinem Bereich ist jedenfalls das Ende der Berechenbarkeit erreicht. Schade, aber das ist Realität. Wunschdenken hilft nicht weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2008)