Regime könnte Bombenexplosion bei Konzert als Grund für Durchgreifen gegen Gegner nützen.
MINSK/WARSCHAU.Die Feier zum Unabhängigkeitstag, dem Tag der Befreiung von Minsk von den Deutschen durch die Rote Armee am 3. Juli 1944, war am Höhepunkt, da hallte Freitag kurz nach Mitternacht ein Knall über den „Sieger-Prospekt“ in Minsk: Die Straße, wo ein Konzert stattfand, war voller Menschen, von denen viele an ein Feuerwerk glaubten. Es war aber eine Bombe, die mehr als 50 Menschen verletzte.
Weißrusslands diktatorischer Präsident Alexander Lukaschenko soll in der Nähe der Explosion gewesen sein, er blieb unverletzt. Später zeigte er sich am Tatort neben dem Denkmal für die Heldentaten der Minsker im Krieg. Laut Polizei war die Bombe in einer mit Nägeln und Schrauben gefüllten Tomatendose. Sie ging hoch, als Polizisten die verdächtige Dose untersuchten. Später fand man noch eine Bombe, teilte das Innenministerium am Freitag mit, sie wurde entschärft. Die Polizei sucht einen dunkelhäutigen Mann, der laut Zeugen das zweite Paket platziert haben soll.
Rowdy oder Polit-Attentäter?
Die Polizei stuft den Vorfall als bloßes „Rowdytum“ eines Einzelnen ein – wohl, um den Eindruck zu vermeiden, dass sich eine militante Opposition gegen Lukaschenko herausgebildet haben könnte. Seine Gegner haben im Kampf für ein Ende seiner Herrschaft bisher nicht auf Gewalt gesetzt: Vor zwei Jahren, als die Opposition wegen Wahlfälschungen zu Massendemos aufrief, kam es zwar zu Ausschreitungen, die aber nicht wesentlich eskalierten.
Im September stellt sich Lukaschenko zur Wahl: Sein Repressionsapparat hat schon den Druck auf Gegner erhöht. Wohl darum fürchtet die Opposition, das Regime könnte die Explosion, obwohl es sie herunterspielt, als Auslöser einer neuen Verhaftungswelle nützen: „Man muss fürchten, dass die Behörden den Vorfall – unabhängig, wer dahintersteht – nützen, um den Wahlkampf in für sie günstige Bahnen zu lenken“, meint Anatoli Lebedko, Chef der Vereinten Bürgerpartei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2008)