Zahnwale haben ein spezielles Akustikorgan.
Als die Wale vor etwa 50 Millionen Jahren vom Land ins Meer stiegen, sahen sie aus wie eine Mischung aus Schwein und Hund, sie mussten ihren ganzen Körper umbauen, vor allem den Kopf. Der ist zwar bei allen Wirbeltieren der Körperteil, der sich am breitesten ausdifferenzierte, aber bei den Walen musste er eine besondere Metamorphose durchlaufen, zumindest bei den Zahnwalen, die ihrer Beute mit Echolokation nachstellen, die Delfine gehören dazu. Sie brauchen Ohren – um ihre eigenen akustischen Signale auffangen zu können –, aber mit Außenohren kämen sie im Wasser nicht weit, die haben sie aufgegeben.
Für andere Säuger giftig
Innen haben sie Ohren, aber zu denen muss der Schall erst einmal hin. Dafür entwickelten die Zahnwale spezielle „akustische Gewebe“ – in den Kiefern und vorne auf der Stirn, dort haben sie einen kleinen Höcker, die „Melone“ –, die Schall gut leiten und das können, weil sie eine besondere Struktur haben. Und eine besondere Chemie: Das Fett aus dem sie bestehen, enthält ganz andere als die üblichen Fettsäuren, die immer eine gerade Anzahl von Kohlenstoff-Atomen (C) haben (oft 4, 16 oder 18). Das Fett der Delfinohren enthält sogar die verzweigte Isovaleriansäure (mit 5 C-Atomen), die für andere Säugetiere giftig ist.
Nur Zahnwale haben diese Fette, und jeder einzelne muss sie selbst herstellen. Sie kommen nicht mit der Muttermilch, sie werden auch nicht in der Leber auf die übliche Weise synthetisiert, sondern beim Abbau von Aminosäuren, und das dort, wo sie gebraucht werden. Und wann sie gebraucht werden: Heather Koopman und Zoey Zahorodny (University of North Carolina) haben zwei Zahnwale mit verschiedenen „Lebensgeschichten“ verglichen, Große Tümmler (Tursiops trunctatus) und Gewöhnliche Schweinswale (Phocoena phocoena). Bei Ersteren bleiben die Kälber bis im Alter von drei bis sechs Jahren von den Müttern abhängig, bei Letzteren müssen sie mit neun Monaten selbstständig sein, jagen und Echolokation betreiben können. Deshalb bauen sie ihre akustischen Fette rasch, die Tümmler lassen sich Zeit. Aber das Prinzip ist das gleiche, die Forscherinnen fassen das mit einem der wenigen deutschen Worte, die sich in der Nomenklatur der Biologen erhalten haben: „acoustic lipid bauplan“.
Was einmal nach dem errichtet ist, das bleibt, auch darin zeigt sich die Besonderheit dieser Fette: Anders als andere Körperfette werden sie in Notzeiten nicht als Nahrungsreserve angezapft. Und der Bauherr ist eben die Lebensgeschichte, darin liegt die Besonderheit der Zahnwale: Bei vielen anderen Tieren richtet sich umgekehrt die Lebensgeschichte nach dem Verfügbaren. Bärenjungen etwa sind bei der Geburt extrem klein, da sie nur mit Kohlehydraten in der Muttermilch über den Winter(schlaf) kommen: „Hier hingegen haben wir einen Fall, in dem die Lebensgeschichte – das Alter der Selbstständigkeit – die Rate der biochemischen Entwicklung bestimmt“, schließen die Forscherinnen (Proceedings B, 9.7.).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2008)