War da irgendwas in Tibet?

Vier Monate nach Niederschlagung der Tibet- Unruhen stört niemand mehr Chinas Olympia-Fest.

Kann sich noch jemand an den 11.März erinnern? Damals begannen Chinas Sicherheitskräfte, die Unruhen in Tibet niederzuschlagen. Wie viele Tote es gab, weiß bis heute niemand so genau. Über allem lag der Pulverdampf einer Propagandaschlacht, die nicht nur China betrieb, sondern auch Exil-Tibeter. Von außen blickte niemand so wirklich durch, doch die Aufregung war groß und wurde größer, je grotesker Chinas Vorwürfe gegen den Dalai Lama („Wolf in der Mönchskutte“) wurden.

Durch die Medien erschallte der Ruf nach einem Boykott der Olympischen Spiele, zumindest der Eröffnungsfeier. Die meisten Politiker wanden sich, andere wie Frankreichs Präsident Sarkozy preschten als Hüter der Menschenrechte vor. Nicht einmal vier Monate später interessiert sich niemand mehr für Tibet, weder für die massenhaft Inhaftierten noch für den inhaltsleeren Scheindialog, den China zur Beruhigung des Westens mit Tibetern inszeniert hat. Das ist nicht nur Folge eines Soufflé-Journalismus, der Themen hitzig hochkocht und dann in sich zusammenfallen lässt. Es ist auch kennzeichnend für das gackernd-folgenlose Prinzipien-Schattentheater moderner Politiker. Sarkozy wird nun als EU-Ratsvorsitzender selbstverständlich doch an der Olympia-Feier einnehmen, und es hatte auch kein EU-Partner etwas dagegen einzuwenden, Österreichs Hin-und-Rücksichteln natürlich auch nicht.

Das Geschäft geht vor, es reicht nicht mal zu symbolischem Protest. Wie soll China da je wieder Kritik an Menschenrechtsverletzungen ernst nehmen? (S.7)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2008)

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