Halb ist das neue Voll

(c) AP (Frank Augstein)
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Gleichungen sind sexy. Selbst für mathematisch wenig interessierte Gemüter wie mich.

Dementsprechend groß ist die Freude, wenn auch sprachliche Bilder in Form von Gleichungen dargestellt werden. Sehr beliebt ist in jüngster Zeit die Variante, in der neuen Trends eine Referenz an Althergebrachtes gegenübergestellt wird. „Rainhard Fendrich ist der neue Peter Alexander“ wäre ein solches Bild. (Auch wenn Fendrich natürlich schon längst nicht mehr im Trend liegt und Peter Alexanders Klasse sowieso niemals erreichen wird.) „Fußball ist das neue Wetter“ beschrieb perfekt den Smalltalk während der Euro. So weit, so einfach. Dass „Schwarz das neue Grün“ sein soll, lässt sich noch irgendwie erklären – mit energiesparenden Autos (grün) etwa, die trotzdem als elegante Limousinen (schwarz) durch die Gegend rollen. Spannend ist auch „Fotografieren ist das neue Rauchen“ – stimmt, in so manchem Lokal ist Rauchen schon verboten, dafür hält eben jeder seine Handycam in die Höhe.

Etwas komplizierter wird es dann schon, wenn es an wirkliche Gegensätze geht, wenn etwa die Singer-Songwriter Szene mit dem Leitspruch „Quiet is the new loud“ den Rock'n'Roll aus den Charts und in die Altersteilzeit schicken will. Und irgendwann wird es schon äußerst schwierig, Gegensatzpaare noch sinnvoll zu erklären. Oder könnten Sie mit dem Spruch „Straight is the new gay“ etwas anfangen? „Hell ist das neue Dunkel“ ist vermutlich nur mehr Nonsens – es sei denn, Sie sind Einrichtungsberater – und schließlich landen wir bei „Lebendig ist das neue Tot“. Andererseits, natürlich kann mit derartigem Nonsens auch eine reale Situation beschrieben werden – an Tankstellen gilt ja mittlerweile „Halb ist das neue Voll“. So sexy wie gedacht ist diese Gleichung dann allerdings doch wieder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2008)

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