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Mittelmeerunion: „Club Med“ für ungleiche Partner

(c) EPA (Lucas Dolega)
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Frankreichs Präsident Sarkozy hob sein Prestigeprojekt aus der Taufe. Ob sich eine echte Partnerschaft entwickelt, wird von der Verwirklichung realer Projekte abhängen.

Paris. So hatte sich das Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nicht vorgestellt: Als am Sonntag in Paris feierlich die „Union für das Mittelmeer“ gegründet wurde, saßen alle EU-Staaten mit am Tisch. Ursprünglich hatte Sarkozy einen reinen Club Med im Sinne gehabt, also ein Gremium der Mittelmeer-Anrainer. Doch vor allem Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel pochte auf die Hereinnahme der übrigen EU-Länder.

Sarkozy wird mit Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak die erste Kopräsidentschaft der Union übernehmen. Zwar sei seine Initiative ein Risiko, „aber noch ein größeres Risiko wäre es, dieses nicht zu wagen“, sagte er in seiner Eröffnungsrede am Sonntag vor den Delegationen aus 43 Staaten. Der erste Versuch war ja unter dem Titel „Barcelona-Prozess“ nicht von großem Erfolg gekrönt. Nun soll es auf Augenhöhe weitergehen: „Am runden Tisch im Grand Palais sitzen nicht jene, die entscheiden, und jene, die sich unterordnen müssen“, meinte Sarkozy.


Neue Hegemoniebestrebungen?

Die Idee eines neuen „mare nostrum“ weckt Träume von einem großen friedlichen Wirtschaftsraum. Wie zur Zeit des antiken Roms soll das gemeinsame Meer nicht ein Graben zwischen Zivilisationen sein, die sich misstrauisch oder gar feindlich aus der Ferne beäugen, sondern eher eine Brücke für den ökonomischen und kulturellen Austausch. Was als Wunschtraum von Idealisten erscheint, existiert in Ansätzen bereits, die nur darauf warten, entwickelt zu werden. Dass dies bisher zu wenig der Fall war, ist weitgehend der politischen Instabilität und den Risiken einer Zusammenarbeit mit kompromittierenden Regimes in einem Teil der südlichen und nahöstlichen Region zuzuschreiben.

In Nordafrika indes vermutet man hinter in Europa ausgebrüteten Projekten neue Hegemoniebestrebungen. Wie vertrauenswürdig ist diese dargebotene Hand der EU-Staaten, die doch auf der anderen Seite durch eine immer restriktivere Immigrationspolitik aus südlicher Perspektive die Gemeinschaft in eine Festung verwandeln?

Ob sich aus Nicolas Sarkozys „Club Med“ eine echte Partnerschaft entwickelt, wird von der Verwirklichung realer Projekte, namentlich bei der Infrastruktur, und dem Abbau von Handelsschranken abhängen. Gerade der Austausch zwischen den südlichen Mittelmeer-Anrainern ist noch schwach, daher kommt den in Paris beschlossenen Projekten zur Förderung der Transportwege per Schiff und zu Lande (Autobahn durch den Maghreb) eine besondere Bedeutung zu. Andere Wirtschaftsmächte sind auch bereits an den Ressourcen und am Potenzial dieser Region interessiert: Die USA, die Golfstaaten, aber auch Brasilien und Indien sind gezielt in bestimmten Sektoren präsent.


Ungleiche Partner

Die Vorstellung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums rund um das Mittelmeer, in dem fast 800 Millionen Menschen die Dynamik und die Entwicklungsmöglichkeiten gemeinsam nutzen, tönt verlockend. Noch handelt es sich aber um eine Utopie, und die Unterschiede sind überdeutlich: Die nördlichen Mittelmeer-Anrainer verfügen in dieser theoretischen Familie über 38 Prozent, die europäischen Staaten ohne Mittelmeerufer sogar über 54Prozent des gemeinschaftlichen BIPs, die südlichen Anrainer dagegen „wiegen“ gerade einmal acht Prozent. Entsprechend sieht es beim Pro-Kopf-Einkommen aus: 26.000 Dollar bei den europäischen Mittelmeerstaaten, nur 7000 bei den südlichen Anrainern, bei denen die Arbeitslosigkeit oft mehr als 20 Prozent beträgt und namentlich der Jugend nur die Auswanderung als Perspektive erscheinen lässt. Diesen Fakten setzt der Gipfel zumindest Optimismus entgegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2008)