Engagement der Jugend: Kühles Karrierestreben statt Protest

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Junge Menschen in Österreich interessieren sich wenig für Politik, bei Parteien und Vereinen werden sie dennoch gern aktiv. Im September dürfen 16-Jährige erstmals wählen.

Wien.Am 28. September werden erstmals 184.000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren ihre Stimmen bei einer Nationalratswahl abgeben dürfen – und werden von den Parteien schon eifrig umworben. Oft vergeblich: Jugendliche werden seit Jahren immer „unpolitischer“.

Das ist keine Einschätzung, sondern ein messbarer Trend. Bezeichneten sich 1990 noch 47 Prozent der 14- bis 24-Jährigen als „sehr“ oder „etwas“ an Politik interessiert, so waren es 2006 nur noch 33 Prozent. Das Vertrauen in öffentliche Institutionen wie den Nationalrat ist drastisch gesunken: Vertrauten 1990 noch 37 Prozent der Jugendlichen „dem Parlament“, so waren es 2006 nur noch 30 Prozent. Die Bereitschaft, zu Demonstrationen zu gehen, Unterschriften zu sammeln, Spenden zu sammeln hat sich massiv reduziert im Vergleich zu 1990. Das geht aus einer Studie des Instituts für Jugendforschung zur „Wertewelt junger Menschen in Österreich“ hervor, die im Juli auch als Buch erschienen ist.

Engagement seit Jahren stabil

Von einem Boykott der Politik kann dennoch keine Rede sein, die Mitgliederzahlen von Jugendorganisationen der Großparteien bleiben seit Jahren relativ stabil: 63.000 junge Menschen engagieren sich bei der Sozialistischen Jugend, 100.000 bei der Jungen ÖVP. Angesichts geburtenschwacher Jahrgänge in den 1980ern gilt die Stagnation als Erfolg.

Was treibt Jugendliche trotz messbar geringerem Interesse an der Politik zu den Parteien? Die Soziologen des Instituts für Jugendforschung sehen einen neuen Zugang zur Politik: Während Engagement in den 1980ern noch aus Protest erwachsen sei, diene das Ehrenamt heute meist der Bereicherung des Lebenslaufes. Interessantes Detail: Obwohl Mädchen politisch aktiver seien als Burschen, streben letztere eher ein politisches Amt an. Engagement zeigen Jugendliche heute auch abseits der Parteien: „Jugendliche wollen verstärkt in NGOs aktiv werden“, sagt etwa Martin Walzl von der Bundesjugendvertretung. Vereine wie Landjugend, Jugend-Rot-Kreuz, CV-Verbindungen und Greenpeace profitieren davon und verzeichnen ein verstärktes Interesse.

Egoistische Motive für Soziales

Themen wie Integration, Bildung oder Arbeitsmarkt beschäftigen Jugendliche – allerdings erkennt die Studie auch hier einen neuen Trend: Die „Entsolidarisierung verschiedener Interessensgruppen“. Studenten engagieren sich nur noch für Belange der Universitäten, Arbeiter ausschließlich für die Gewerkschaften.

Mehr Druck auf dem Arbeitsmarkt, höhere Anforderungen an junge Arbeitnehmer und eine postmoderne Haltung zu Ideologien – viel Platz bleibt im Leben von jungen Menschen für Parteipolitik nicht. Zwar sei „das Gefühl, Sinnvolles geleistet zu haben“ noch immer ein wichtiger Grund für soziales Engagement, so Gert Hufnagel vom Institut für Jugendforschung. Als Motive nennen Jugendliche aber vor allem „die Anerkennung eines Praxisteils der Ausbildung, Vorteile bei der Jobsuche sowie die Anerkennung der erworbenen sozialen Kompetenzen von der Wirtschaft“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2008)

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