OGH entscheidet für die „Wiener Zeitung“

(c) Die Presse (Michaela Seidler)
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Höchstgericht hält die Finanzierung durch Pflicht-veröffentlichungs-monopol für zulässig.

WIEN. „Die Presse“ hat am 11. September 2006 eine Klage gegen die Republik Österreich und die Wiener Zeitung GmbH unter anderem gestützt auf das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb eingebracht. In der Klage hat „Die Presse“ zusammenfassend argumentiert, dass die Finanzierung der „Wiener Zeitung“ rechtswidrig ist, und beantragt, der „Wiener Zeitung“ und der Republik zu untersagen,► das Amtsblatt als Beilage der „Wiener Zeitung“ herauszugeben und zu vertreiben und

► die „Wiener Zeitung“ direkt oder indirekt aus den Pflichteinschaltungen im Amtsblatt zu finanzieren.

„Die Presse“ hat argumentiert, dass die Republik mit der „Wiener Zeitung“ privatwirtschaftlich auf dem Markt der Tageszeitungen tätig wird und sich daher – wie alle anderen Mitbewerber auf diesem Markt – an die Spielregeln des freien und lauteren Wettbewerbs zu halten hat. Die Quersubventionierung durch die Pflichteinschaltungen im zweistelligen Millionenbereich, ohne die die „Wiener Zeitung“ nicht lebensfähig wäre, ist ein Wettbewerbsverstoß, weil

► die Republik sittenwidrig ihre öffentlich-rechtliche Sonderstellung missbraucht;

► solche Quersubventionierungen gesetzlich verboten sind;

► diese Quersubventionierungen gegen das EG-Beihilfenverbot verstoßen, das staatliche Beihilfen an private Marktteilnehmer verbietet.

Weiters liegt ein sittenwidriger Verstoß gegen das Kopplungsverbot vor, da das Amtsblatt nur gemeinsam mit der „Wiener Zeitung“ erworben werden kann. Das Handeln der „Wiener Zeitung“ verstößt auch gegen das Zugabenverbot, da sie eine verbotene Zugabe zum Amtsblatt ist.

Verfahren verloren

„Die Presse“ hat dieses Verfahren mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes, der den Rechtsvertretern der „Presse“ am Freitag zugestellt wurde, verloren.

Der Oberste Gerichtshof argumentiert im Wesentlichen, dass ein Missbrauch hoheitlicher Machtmittel durch die Republik zwecks Förderung seiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit als Zeitungsherausgeber nicht vorliegt, weil die Privilegierung der „Wiener Zeitung“ gesetzlich vorgesehen sei und diese Privilegierung sachlich gerechtfertigt ist. Die sachliche Rechtfertigung liegt nach Auffassung des OGH unter anderem darin, dass die „Wiener Zeitung“

► eine Reichweite von unter 1% hat und

► die „Wiener Zeitung“, anders als „Die Presse“, keine Presseförderung erhält.

Der OGH argumentiert weiters, dass die „Wiener Zeitung“ und das Amtsblatt eine Einheit bilden, was die einheitliche Verwendung der Einnahmen rechtfertigt. Da die Finanzierung gesetzlich angeordnet ist, wird von der „Wiener Zeitung“ auch nicht gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb verstoßen. Weiters scheidet ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Kartellgesetzes aus, da das Amtsblatt kostenlos im Internet abrufbar ist und somit niemand gezwungen wird, wegen des Amtsblattes die „Wiener Zeitung“ zu kaufen. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb wegen Verletzung des Beihilfenverbotes vor, weil die EU-Kommission die Finanzierung des Amtsblattes und der „Wiener Zeitung“ durch die Pflichteinnahmen nicht für unzulässig erklärt hat.

Für das von der „Presse“ angeregte Normprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof betreffend die gesetzlichen Bestimmungen, die die gemeinsame Herausgabe der „Wiener Zeitung“ und des Amtsblattes regeln, sah der Oberste Gerichtshof ebenso wenig Anlass wie für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, um eventuelle Zweifel über die Qualifikation der Quersubventionierung als verbotene Beihilfe auszuräumen.

Mit diesem Urteil des OGH ist für uns die rechtliche Auseinandersetzung in Sachen „Wiener Zeitung“/Pflichtveröffentlichungen in Österreich zu Ende. Das Urteil ist zu akzeptieren. Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen jene Argumente zur Diskussion stellen, die uns diskussionswürdig erscheinen: Der OGH beschreibt die Presseförderung erstmals als Ersatzleistung für die Nachteile, die den Tageszeitungen aus dem Umstand der Querfinanzierung der „Wiener Zeitung“ durch die Pflichteinschaltungen erwachsen. Das regt zu einer Evaluierung der geltenden gesetzlichen Regelung der Presseförderung an. Und der OGH konstatiert, dass die Pflichtveröffentlichungen Print und Online gleichwertig sind. Damit sagt er, dass die Koppelung von Amtsblatt und „Wiener Zeitung“ zwar rechtlich zulässig, aber nicht notwendig ist, sobald die Pflichtveröffentlichungen auch online zugänglich sind. Wir nehmen an, dass die derzeit zur kostspieligen Print-Veröffentlichung gezwungenen Unternehmen dieses Argument aufgreifen werden.

Michael Fleischhacker

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2008)

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