Bulgarien zu korrupt: EU droht mit Subventionsstopp

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Das Land missbrauchte Fördergelder und muss nun voraussichtlich darauf verzichten, allerdings nur vorübergehend. Es geht um viele hundert Millionen Euro.

BRÜSSEL. Es ist neben Rumänien das jüngste EU-Mitglied, und offenbar ist es auch das ungezogenste: Heute, Mittwoch, erhält Bulgarien in Brüssel Schelte. Denn es soll Förderungen aus dem „EU-Topf“, in den alle 27 Mitglieder einzahlen, im großen Stil missbraucht haben. Die Probleme gehen aus einem Entwurf des „Fortschrittsberichts“ über Bulgarien hervor, welcher der „Presse“ vorliegt. Auch Rumänien bekommt von der EU-Kommission, der obersten Verwaltungsbehörde, ein Zeugnis über seine ersten eineinhalb Jahre als Mitglied der Union ausgestellt. Dieses fällt dem Vernehmen nach aber milder aus.

Zittern um hunderte Millionen

Dem Entwurf zufolge ist Bulgarien bei der Korruption Spitze. Beispielsweise Agrar- oder Regionalförderungen werden offenbar nicht richtig eingesetzt. Sie würden bezogen, aber nicht für den angegebenen Zweck genützt – jedenfalls nicht in dem vorgebrachten Ausmaß oder für den genannten Bezieher, so hatte man schon in den Vormonaten gemutmaßt. Bald könnte es deshalb einen Subventions-Stopp geben.

Dem Land könnten bald viele hundert Millionen Euro an Fördergelder aus Brüssel entgehen, so heißt es – zumindest vorübergehend, bis die Behörden wieder auf EU-Niveau arbeiten und Brüssel die korrekte Nutzung des Geldes in Bulgarien gewährleistet sieht. Es trifft ausgerechnet das ärmste EU-Land: Bulgarien liegt am Ende der Skala, was Wohlstand und Wachstum angeht.

„Interessenkonflikte“

Das Land habe „Schwierigkeiten bei vielen dieser Programme und muss zeigen, dass es über einwandfreie Strukturen des Finanzmanagements verfügt und diese wirksam greifen“, heißt es in dem Entwurf des Berichts der Kommission an das EU-Parlament und den Rat aller Mitgliedstaaten. Doch, so weiter: „Die Belastbarkeit der Verwaltung ist schwach.“ Es hätten bereits „ernste Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten ebenso wie Verdachtsfälle des Betrugs und Interessenkonflikte bei Auftragsvergaben“ bestanden.

Untersuchungen der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf hatten schon zu einem vorübergehenden Aussetzen von Beitrittsbeihilfen und zum Einfrieren von Zahlungen in verschiedenen Bereichen in der zweiten Hälfte 2007 und im ersten Halbjahr 2008 geführt. Für die EU-Finanzperiode 2007 bis 2013 sind allein aus dem Strukturfonds für Bulgarien und Rumänien 27 Mrd. Euro aus dem EU-Haushalt vorgesehen. Weitere 10,6 Mrd. Euro sollen dort in die regionale Entwicklung fließen. Finanziert werden soll unter anderem der Ausbau der Verkehrsnetze in strukturschwachen Regionen. Die Bevölkerung soll von besseren Transportmöglichkeiten profitieren.

Doch noch gibt es viel Missbrauch: „Die Situation ist ernst“, teilt die Kommission Parlament und Rat mit. Die „korrigierenden Schritte“ bei den Gesetzen und in Verfahren, welche Bulgariens Regierung unternommen habe, würdigt sie als einen Anfang im Kampf gegen Betrug. Es brauche aber erst eine „fundamentale Reform“.

Im EU-Parlament, beim Vorsitzenden der CSU-Gruppe Markus Ferber, stößt die Kommission auf offene Ohren: Brüssel müsse Fördergelder einfrieren, um mehr Kooperation zu erhalten, so Ferber.

EU: 1,6 Milliarden Schaden

Missbrauch in Bulgarien belegte gestern, Dienstag, auch Olaf in seinem Jahresbericht. Demzufolge waren dort Ende des Jahres drei Betrugsfälle in der Landwirtschaft, einer bei Zigaretten (Schmuggel), zehn bei Auslandshilfe sowie einer bei internen Untersuchungen in den EU-Institutionen ungelöst. Belgien führt die Liste mit 59 offenen Fällen an, Österreich liegt mit sechs (drei davon im Agrarsektor) im Schlussfeld. Musterschüler in der EU ist Malta ohne offenen Fall. EU-weit betrug der Schaden durch Betrug laut Olaf 2007 rund 1,6 Milliarden Euro, fast so viel wie 2006. Werden Fälle abgeschlossen, holt Olaf das Geld in den EU-Topf zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2008)

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