"Akte X - Jenseits der Wahrheit": Die Wetterlage überzeugt, die Handlung nicht

(Centfox)
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Unbeholfenes Comeback: „Akte X – Jenseits der Wahrheit“ wirkt trotz Google-Missbrauch überholt.

Wie ein Staatsgeheimnis wurde die Handlung zum Comebackfilm Akte X – Jenseits der Wahrheit vorab gehütet. Umso enttäuschender, dass sie sich als schlapper Mischmasch wohlvertrauter Elemente entpuppt, kaum einer Doppelfolge im TV würdig.

Dabei verfolgte das Team um „Akte X“-Erfinder Chris Carter, hier Koautor und Kinoregie-Debütant, einen vernünftigen Ansatz: sechs Jahre nach Serienende auch Uneingeweihte ansprechen. 1998 schien "Akte X – Der Film" noch exklusiv für Spezialisten der Serienmythologie konzipiert. Aber ironischerweise werden wohl auch diesmal allenfalls ergebene Anhänger ansatzweise befriedigt: Den Originaltitel "The X-Files: I Want to Believe" kann man getrost beim Wort nehmen.

Denn Carter bietet ein wenig übernatürliche Schauermär, ein wenig Serienmörderkrimi, ein wenig Beziehungsgeschichte und ein wenig medizinisches Drama – doch alles ist für sich genommen zu wenig, zum überzeugenden Ganzen fügt es sich aber auch nicht. Typische Situationen der Serie scheinen einfach mit ein paar Reizthemen zusammengewürfelt: Skeptikerin Scully, mittlerweile medizinisch tätig, holt Mysterienfreund Mulder aus seinem Versteck, um mit dem FBI verschwundenen Frauen nachzuspüren. Visionen eines pädophilen Priesters legen die Spur. Bald gibt es Organhandelverdacht, allseitige Glaubenskrisen und das wohlbekannte Titelthema pfeift geisterhaft, als ein Bild von Präsident Bush zu sehen ist.

Doch überholt wirken die mühsam konstruierten Debatten zwischen Glaube und Wissenschaft und die unbeholfene Inszenierung: Zäh fließen die Handlungsstränge, dazwischen sollen pumpende Parallelmontagen Spannung erzeugen – ein ferner Abklatsch von "Das Schweigen der Lämmer". Wo nun TV-Serien wie „The Wire“ und „Battlestar Galactica“ dem Kino voraus scheinen, regiert hier der Rückschritt, nicht nur im fernsehgerechten Selbstzitat. Und ohne dafür altmodische Befriedigungen zu bieten.

Überzeugend nur die Stars und die Wetterlage, atmosphärisch zwischen Nebelgrau und Schneeweiß (Drehort Vancouver). David Duchovny serviert noch immer Pointen, erst sogar mit Bart; Gillian Anderson rezitiert noch angebliches ärztliches Fachvokabular wacker. Nostalgiker mögen seufzen, wenn sich das Duo wieder näherkommt. Viel mehr zum Seufzen ist aber, wie Scully vor einer Operation einfach in die Google-Suchmaschine „Stammzellenrecherche“ tippt, rasch ein paar Seiten ausdruckt und gleich im OP-Saal steht. Kurz beschleicht einen das Gefühl, das Drehbuch sei ähnlich entstanden. Aber man möchte es nicht glauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2008)

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