Nächster Wahlkampfvorstoß von ÖVP-Chef Molterer: Kinderbetreuung von der Steuer absetzen. Die SPÖ zeigt sich gesprächsbereit, aber nur, wenn auch Eltern mit niedrigem Einkommen profitieren.
Wien. Sechs Wochen vor der Nationalratswahl am 28. September rückt der Kampf um die Wählerstimmen der Familien – neben den Entlastungsvorschlägen wegen der Teuerung – immer mehr in den Mittelpunkt des Wahlkampfs. Zwischen den beiden Noch-Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP ist inzwischen ein regelrechter Wettlauf im Gange, mit welchen Maßnahmen Eltern unter die Arme gegriffen werden soll.
Nach den konkreten Plänen für die Auszahlung einer 13. Familienbeihilfe noch im heurigen Jahr und für ein Gratis-Kindergartenjahr, das für alle Fünfjährigen ab Herbst 2009 verpflichtend sein soll, kommt der jüngste Vorstoß von Vizekanzler ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer. Er greift jetzt namens der Bundes-ÖVP eine Idee auf, für die sich bisher in den Reihen der Schwarzen vor allem die ÖVP-Frauen starkgemacht haben: Kinderbetreuung soll demnach steuerlich absetzbar werden.
Wie der „Presse“ im Büro Molterers erläutert wurde, soll diese Maßnahme Teil der von der ÖVP weiter für 2010 angepeilten großen Steuerreform sein. Es handle sich um ein „Projekt für die nächste Legislaturperiode“.
ÖVP-Frauen: Für Kinder bis 14
Ein genaues Modell wurde noch nicht festgelegt. Es sollen aber nicht nur Kosten für die Betreuung in einem Kindergarten oder Hort, sondern auch für private Betreuung absetzbar sein. ÖVP-Frauenchefin Maria Rauch-Kallat hat zuletzt vorgeschlagen, die Absetzbarkeit solle bis zum 14. Lebensjahr eines Kindes möglich sein.
Das Hauptargument, das auch Molterer ins Spiel bringt: Die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung würde vor allem für Mütter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Das liegt ganz auf der Linie der Bundes-SPÖ. Allerdings gab es in der SPÖ bisher massive ideologische Widerstände gegen die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Begründung: Davon würden in erster Linie „Reiche“ profitieren.
In der SPÖ-Zentrale rückt man inzwischen von einer Ablehnung ab. Zuerst müsse zwar klar werden, welchen konkreten Vorschlag die ÖVP nun tatsächlich mache, wurde am Sonntag gegenüber der „Presse“ betont. Man sei aber „gesprächsbereit“. Allerdings gibt es eine klare SPÖ-Bedingung für jegliche Überlegungen zur steuerlichen Absetzbarkeit: „Für uns ist wichtig, dass alle profitieren.“ Für Mütter bzw. Eltern, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Steuer zahlen, müsste es ebenfalls eine Begünstigung geben, etwa in Form eines Bonus. Ex-Familienministerin Ursula Haubner (BZÖ) forderte, die steuerliche Absetzbarkeit „endlich“ umzusetzen.
Einig sind sich ÖVP und SPÖ inzwischen, dass die 13. Familienbeihilfe noch vor der Wahl beschlossen wird. Diese würde dann noch heuer ausgezahlt. Das zuletzt ebenfalls intensiv diskutierte Gratis-Kindergartenjahr möchte Molterer hingegen erst in der neuen Legislaturperiode endgültig fixieren, sodass es ab Herbst 2009 umgesetzt werden kann.
Gerangel um Runden Tisch
In dem rot-schwarzen Wettlauf versucht auch die SPÖ wieder, das Tempo zu erhöhen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures bekräftigte am Sonntag die Einladung an die ÖVP, den Wahlkampf auszusetzen und bei einem „Teuerungsgipfel“ am Runden Tisch über Entlastungsmaßnahmen zu diskutieren. Mittlerweile gebe es nämlich bereits einen „Fleckerlteppich“ an Vorschlägen. Es gehe nun um ein Gesamtkonzept zur Entlastung der Familien und der von der Teuerung besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen.
Allerdings handelte sich die SPÖ bei der ÖVP eine Abfuhr ein: Dafür bestehe kein Bedarf, weil das „nur eine Show-Sitzung“ wäre, hieß es. Das ÖVP-Maßnahmenpaket liege ohnehin auf dem Tisch, die SPÖ brauche nur Ja oder Nein sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2008)