Der Krieg kommt – und Österreich steckt mittendrin

Wenn sich die Geschäftemacher mit dem Iran schon nicht um Moral kümmern, sollten sie zumindest nicht in eine tickende Zeitbombe investieren.

Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“, sagte einmal Marie von Ebner-Eschenbach. In diesem Zitat steckt viel Wahres, vor allem zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Dass das ehemalige Kaiserreich ein Fleisch gewordener Garten Eden ist, bleibt unbestritten: Politisch, wirtschaftlich, ökologisch und kulturell betrachtet handelt es sich um den wohl sichersten Standort der Welt.

Wäre da nicht dieser dunkle Fleck in der Geschichte, der sich wie ein unsichtbarer Schatten über die Entstehung der 2. Republik erstreckt. Der Konjunktiv in dieser Satzkonstruktion macht es allerdings unmöglich, den latenten österreichischen Hang zum Opportunismus zu ignorieren. Irgendwie scheint es, als würde sich das kleine Österreich stets bemühen, sich möglichst unauffällig mit dem Rücken zur Wand in die hinterste Ecke im Labyrinth des internationalen Geschehens zu stellen, um unbeobachtet Augen und Ohren verschließen zu können. Das war hinsichtlich der Vergangenheitsbewältigung der Jahre 1938–1945 so und ist auch auf heutige Geschehnisse übertragbar. Es wäre jedoch töricht zu glauben, dass diese Haltung das Land in eine politische oder wirtschaftliche Ohnmacht versetzt. Österreich geht stets mit dem nötigen Einsatz vor, um im Pokerspiel der Weltmächte niemals raus-, sondern aufzufallen.

So war es auch in jener Runde, die im April 2007 begann. Als die zwei Mitspieler ein Geschäft im Wert von 22 Mrd. Euro abschlossen, dachte wohl niemand daran, dass Österreich mit von der Partie sei und den Jackpot abräumen würde. Doch genau das geschah: Die Vertreter der zu über 30% staatseigenen OMV und jene der Iranian National Oil Company (NIOC) unterzeichneten ein Abkommen über den größten Erdgas-Deal, den je ein europäisches Unternehmen mit dem Iran abgeschlossen hatte.

Die Absichtserklärung fand bei allen im österreichischen Parlament vertretenen Parteien Unterstützung. Obwohl sich der Iran unentwegt sämtlichen UNO-Resolutionen hinsichtlich seines umstrittenen Atomprogramms widersetzt. Obwohl das iranische Regime mehrfach öffentlich angekündigt hat, Israel, ein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, von der Landkarte zu tilgen. Obwohl in keinem anderen Land der Welt mehr Kinder und Jugendliche zum Tod verurteilt werden. Und obwohl der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad wiederholt den Holocaust als „Märchen vom Massaker an den Juden“ bezeichnet hat.

Der Krieg der Worte in der Debatte um das iranische Atomprogramm hat sich verschärft. Es steht außer Frage, dass es einen Militärschlag geben wird. „Ein nuklearer Iran ist untragbar“, sagte kürzlich Ephraim Sneh, Israels ehemaliger Vize-Verteidigungsminister, bei seinem Besuch in Wien. „Hilft man dem Regime wirtschaftlich, fühlt es sich ermutigt, die nuklearen Ambitionen weiterzutreiben.“

Exporte in den Iran rasant gestiegen

Österreich ist mittendrin. Die OMV hat nicht nur ein Milliardengeschäft mit dem Iran abgeschlossen, sondern ist obendrein einer der Hauptsponsoren der „Iran Gas-Export Konferenz“, die am 4. und 5. Oktober in Teheran stattfinden wird. Wie lässt sich ein solches Verhalten mit dem vermeintlichen Verantwortungsgefühl vereinbaren, das Österreich angesichts der Haltung des iranischen Regimes gegenüber dem Holocaust sowie dem Existenzrecht Israels verspüren müsste? Gar nicht.

Stattdessen wird nach Ausflüchten und Argumenten gesucht, um die gegenwärtigen Ambitionen zu legitimieren. Fakt ist allerdings, dass sich Österreich zu einem der wichtigsten strategischen Partner der Mullah-Diktatur hochgestrampelt hat, und das nicht nur aufgrund des Mineralölgiganten. Die österreichischen Ausfuhren in den Iran haben sich seit sechs Jahren fast verdoppelt, die Exporte in den Iran sind durch Staatsgarantien der Regierung abgesichert.

Neben der moralischen Fragwürdigkeit lassen sich die wechselseitigen guten Beziehungen auch auf wirtschaftlicher Ebene anzweifeln. Wenn österreichische Investoren keine Rücksicht auf ethische Dimensionen nehmen können, sollten sie wenigstens den ökonomischen Faktor einer instabilen Region in Betracht ziehen. Der Iran ist ein Pulverfass. In naher Zukunft wird das Land einer Militäroffensive gegenüber stehen. Wer sich Sanktionen und Resolutionen gegenüber weiterhin unbeeindruckt zeigen möchte, sollte zumindest daran denken, nicht in eine tickende Zeitbombe zu investieren. Aber wie Marcus Tullius Cicero schon richtig bemerkte: „Zum Reichtum führen viele Wege, und die meisten von ihnen sind schmutzig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2008)

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