Psychiater Friedrich: Wie gut sind seine Gutachten?

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In einem Kindesmissbrauchs-Prozess wurde ein Schuldloser nach einem Gutachten von Max Friedrich verurteilt. Richter kritisieren den Zeitmangel des Psychiaters.

WIEN. Der wohl bekannteste Kinderpsychiater Österreichs, der AKH-Arzt Max Friedrich (63), gerät in Turbulenzen: In Kärnten wurde in einem Kindesmissbrauchs-Prozess offenbar ein Schuldloser verurteilt – der Spruch stützte sich auf ein Friedrich-Gutachten. Losgelöst von diesem Einzelfall ziehen Wiener und laut „Austria Presse Agentur“ auch Kärntner Richter schon seit einiger Zeit andere Experten als Gutachter vor.

Am Beginn der Debatte um die Gutachtens-Qualität stand der Fall Albin K. Dieser 35-jährige Mann wurde wegen angeblichen schweren sexuellen Missbrauchs seiner eigenen vierjährigen Tochter verurteilt. Zunächst war der Verdacht auf den Großvater des Mädchens, den Schwiegervater von K., gefallen. Erst später – vor dem Hintergrund eines erbitterten Sorgerechtsstreits mit der Kindesmutter – war Albin K. als möglicher Täter ins Spiel gebracht worden. Schlussendlich wurden beide Männer verurteilt: Albin K. und der Großvater. Beide erhielten drei Jahre Gefängnis. Im Fall Albin K. wendete sich das Blatt. Nach 22 Monaten Haft wurde der 35-Jährige Ende August im Rahmen einer Verfahrens-Wiederaufnahme freigesprochen.

Vorwurf an Friedrich: Er habe dem Opfer, dessen Aussagefähigkeit er bejahte, Suggestivfragen gestellt. Fest steht: Auch wenn vom Gericht – wie bei Missbrauchsverdacht üblich – ein Gutachter bestellt wird, so liegt die Entscheidung allein bei den Richtern. Wenn es um sexuelle Angriffe geht, entscheidet meist ein Schöffensenat, bestehend aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern. Jedes Schöffenurteil muss in öffentlicher Sitzung begründet werden.

Dauernder Termindruck?

Indessen scheint Friedrich – er ist Vorstand der Uniklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters am Wiener AKH – für einige Gerichte nicht mehr erste Wahl zu sein. Wie ein auf Sexualstrafrecht spezialisierter Wiener Richter der „Presse“ erklärte, würden bestimmte Kollegen im Grauen Haus schon seit geraumer Zeit andere Experten bevorzugen. Der Richter (er wollte namentlich nicht genannt werden) verwies etwa auf eine viel gefragte Psychologin der Kinderklinik Glanzing. Diese würde sich für die Befragungen der Kinder sehr viel Zeit nehmen.

Friedrich hingegen habe mitunter gestresst gewirkt, was wohl auf dessen Termindruck zurückzuführen sei, so ein Richter. An der fachlichen Qualifikation Friedrichs zweifelt man seitens der Richterschaft nicht. Friedrich selbst war am Montag trotz mehrmaliger Versuche nicht zu sprechen. Sein Sekretariat erklärte, er sei zeitlich nicht verfügbar – und wolle sich zum Fall Albin K. nicht äußern, da dies ein laufendes Verfahren sei.

K.s Verteidigung hat angekündigt, für die ungerechtfertigte Haftzeit sowie diverse Kosten 200.000 € Entschädigung von der Republik einzuklagen.

Der mehrfache Fachbuchautor Max Friedrich („Tatort Kinderseele“, „Die Opfer der Rosenkriege“) hatte den bisher jüngsten medialen Großauftritt als Sprachrohr jenes Teams, das das Entführungsopfer Natascha Kampusch nach geglückter Flucht intensiv betreute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2008)

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