Talibanistan: Neue Front im Krieg gegen den Terror

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Pakistan spielt ein Doppelspiel im Kampf gegen die Taliban. Die USA haben die Hoffnung auf pakistanische Unterstützung aufgegeben und ergreifen selbst die Initiative.

Die USA sind mit ihrer Geduld schon seit einiger Zeit am Ende. Am 28.Juli saß der damals neu ins Amt gewählte pakistanische Premierminister Yousaf Reza Gilani Präsident George W. Bush im Weißen Haus gegenüber, um über den Krieg gegen den Terror zu sprechen.

Am selben Tag hatte eine bewaffnete Predator-Drohne eine Rakete ins Haus des al-Qaida-Bombenbauexperten Abu Khalab al-Masri in Südwaziristan abgefeuert. Südwaziristan liegt auf pakistanischem Gebiet und der hohe Staatsgast war über die Militäraktion auf seinem Territorium nicht informiert worden.

An diesem Tag folgten noch blumige Ansprachen von Bush und Gilani, bei denen Worte wie „Frieden“, „Demokratie“, „Wohlstand“ natürlich nicht fehlen durften, und Gilani versprach selbstverständlich, dass die USA im Kampf gegen den Terror auf Pakistan zählen können. Beide Politiker vermittelten das Bild einer amikalen Zusammenkunft, doch der Angriff der Predator-Drohne auf ein Ziel in Pakistan spricht eine andere Sprache: Die Amerikaner glauben nicht mehr daran, dass Pakistan die Taliban wirksam bekämpfen kann oder will.

Unheilige Allianz

Der „New York Times“-Journalist Dexter Filkins – gerade ist sein sehr persönliches Buch über den Irak-Krieg „The Forever War“ erschienen – hat in Pakistans Unruheregion North-West Frontier Province (NWFP) recherchiert und kommt zum Schluss, dass eine unheilige Allianz aus pakistanischer Armee, ISI (dem pakistanischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence) und Taliban den Konflikt am Leben hält. Ein hoher ehemaliger pakistanischer Regierungsbeamter erzählte ihm, die Armee könne mit ihrem Doppelspiel, zum Schein gegen die Taliban zu kämpfen, sie in Wahrheit aber gewähren zu lassen, zugleich Milliarden an Militärhilfe lukrieren (mehr als zehn Milliarden Dollar sollen es bisher sein). „Die pakistanische Wirtschaft würde ohne dieses Geld kollabieren.“

Dass der frühere Spitzenbeamte ungenannt bleibt, ist zwar nicht eben die beste Untermauerung dieser Behauptungen, unglaubwürdig sind sie freilich nicht. US-Militärs glauben, dass so manche „Offensive“ der pakistanischen Armee gegen die Taliban mehr Show für die Kameras war, als eine effektive Militäroperation darstellte.

Export des Konflikts

Der frühere Präsident Pervez Musharraf hat die Extremisten weitgehend gewähren lassen, sagen die USA. Bis zum Juli 2007, als es in der Lal Masjid, mitten in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, zu einem bewaffneten Showdown zwischen islamischen Extremisten und der Armee kam: Bei den Gefechten gab es 87 Tote, die Islamisten antworteten mit einer Serie an Selbstmordattentaten. Für die pakistanischen Behörden war dies ein Weckruf: Sie mussten feststellen, dass sie nun die Geister, die sie gerufen hatten, nicht mehr loswerden würden.

Also eröffnete Pakistan im Jänner einmal eine entschlossene Offensive, die aber nach drei Wochen wieder vorbei war. Die pakistanische Armee hatte mit dem Taliban-Führer Baitullah Mehsud (er gehört zur Volksgruppe der Paschtunen, die in Pakistan und Afghanistan leben) einen Deal abgeschlossen: Nach der Vereinbarung sollen die Taliban-Kämpfer keine Operationen in Pakistan mehr durchführen, dafür werden sie in Ruhe gelassen.

Über Operationen in Afghanistan steht in dieser Vereinbarung nichts. Interessanterweise stieg die Zahl der aus Pakistan nach Afghanistan eingesickerten Kämpfer seit Anfang des Jahres stark an.

Als Konsequenz greifen die USA die Taliban nun in ihrem Rückzugsgebiet in Pakistan an. Freilich ein gefährliches Spiel: Die Aktionen der USA auf pakistanischem Gebiet könnten zu noch mehr Hass auf Amerika und zu einer weiteren Destabilisierung der Atommacht Pakistan führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2008)

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