Akupunkturnadel statt Moxazigarre

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Ein neues System der traditionellen Moxibustion wird in Graz mit modernen Hightech-Geräten erstmals wissenschaftlich untersucht.

Jahrtausendealte chinesische Heilmethoden und hochmodernes Laser-Doppler-Imaging sind nur auf den ersten Blick Widersacher. Eine enge Liaison sind sie an der Forschungseinheit für biomedizinische Technik in Anästhesie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Graz eingegangen: Mit Hightech-Geräten erforscht man hier im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts mit China und Japan ein neues Akupunkturnadel-System für das uralte asiatische Heilprinzip der Moxibustion, einer Kombination aus Akupunktur, Phyto- und Wärmetherapie.

„Forschungsergebnis und das neue Moxa-System werden dieses Wochenende beim TCM-Kongress in Graz weltweit erstmals präsentiert werden“, berichtet der Biomediziner Gerhard Litscher, Leiter der erwähnten Forschungseinheit sowie des interuniversitären TCM-Forschungszentrums Graz (Bereich Akupunkturforschung).

Brennende Zigarrenstücke auf der Haut

Traditionell werden für die Moxibustion häufig sogenannte Moxazigarren (in dünnes Papier gerollte Stangen aus Beifußpulver) entzündet und die glühende Spitze dem Akupunktur-Punkt auf ungefähr einen halben Zentimeter genähert, bis der Patient ein deutliches Hitzegefühl spürt. Solchermaßen werden verschiedene Punkte durchgearbeitet, bis die Haut an den Stellen deutlich gerötet ist. Einer der Nachteile: Immer wieder fallen Stücke der brennenden Zigarre auf die Haut.

„Beim neuen Moxa-Prototyp des japanischen Herstellers Seirin ist das nicht der Fall. Es handelt sich um eine Akupunkturnadel mit einer metallischen Halterung, in der sich gepresste Beifußkohle befindet“, erläutert Litscher. Er und seine wissenschaftlichen Partner in Graz und Peking konnten nun erstmals Erwärmung und Durchblutungssteigerung durch Moxibustion bildlich zeigen sowie Temperaturverteilungen und Veränderungen der Mikrozirkulation konkret erfassen. „Dimension der örtlichen und zeitlichen Ausbreitung der Effekte der Wärmestimulation sind somit jetzt objektiv visualisierbar. Bislang gab es nur subjektive Berichte und empirische Daten.“

Gut fürs Herz, gegen Schmerzen

Hightech-Systeme wie Thermo-Kamera, Laser-Doppler-Imaging und Biosignalanalysen verhalfen der Moxa-Therapie zum Sprung in wissenschaftliche Sphären. „Nun können wir genau sagen, wie groß die Ausbreitung der erzielten Effekte ist.“ Dadurch könnten die ideale Nadellänge und Therapiedauer festgelegt werden. „Wir wissen nun, wenn wir eine 2,5 Zentimeter lange Nadel nehmen, wird ein im Durchmesser ca. zehn Zentimeter großes Hautareal um durchschnittlich 4,6 Grad Celsius erwärmt. So kann man auch die Durchblutungssteigerung gezielt beeinflussen.“

Damit sei erstmals eine Standardisierung des Verfahrens möglich. „Außerdem haben wir herausgefunden, dass sich die innovative Moxa-Therapie positiv auf die Herzfrequenz-Variabilität auswirkt.“ Ein Herzschlag unterscheidet sich von Schlag zu Schlag in der zeitlichen Dauer vom anderen. Eine variable Herzfrequenz deutet auf einen positiven Gesundheitszustand hin, ein starrer Puls hingegen weist auf einen kritischen Zustand hin.

Auf weitere gesundheitliche Auswirkungen der Moxa-Therapie ist man in der Grazer Grundlagenstudie (unterstützt übrigens vom Zukunftsfonds Steiermark und dem Gesundheits- und Wissenschaftsministerium) noch nicht gestoßen. „Das könnte Inhalt künftiger gemeinsamer Studien mit China und Japan sein“, sagt Litscher.

In der traditionell chinesischen Medizin wird die Moxibustion unter anderem gegen verschiedene Schmerzen (Kopf, Schulter, Wirbelsäule), bei Erschöpfung, Magen- Darmerkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und zur Krankheitsvorbeugung eingesetzt. Nun gilt es, diese Heilsversprechungen durch Hightech-Verfahren zu bestätigen. Dass Akupunktur prinzipiell wirkt und etwa im Gehirn zu reproduzierbaren Veränderungen führt und die Blutflussgeschwindigkeit in verschiedenen Hirnarterien spezifisch verändert, hat Litscher ja schon vor mehreren Jahren erstmals wissenschaftlich nachgewiesen.

AUF EINEN BLICK

http://litscher.infoMoxibustion ist eine traditionelle asiatische Heilmethode, mit der an Akupunktur-Punkten gezielte Wärmeeinwirkung und damit Steigerung der Durchblutung erreicht werden sollen.

Erstmals laufen dazu wissenschaftliche Studien an der medizinischen Universität Graz. Forschungen werden hier mit einem brandneuen Nadel-Moxa-System betrieben.

http://tcm-graz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2008)

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