Am Montag starb der Total-Chef Christophe de Margerie. Sein Flugzeug prallte in Moskau mit einem Schneeräumfahrzeug zusammen. Der Öl-Konzern verliert mit ihm nicht nur seinen General, sondern eine markante Persönlichkeit.
Wien. Am Montag Abend hatte sich Christophe de Margerie, der Chef des Mineralölkonzerns Total, noch mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew in dessen Residenz außerhalb Moskaus getroffen. Mögliche Investitionen des französischen Konzern in Russland sollen der Grund der Unterhaltung gewesen sein. Anschließend fuhr der 63-jährige Franzose zurück zum Moskauer Flughafen Wnukowo, um mit seinem Geschäftsflugzeug – trotz dichten Nebels – zurück nach Paris zu fliegen. Doch der Privatjet, eine Falcon 50, prallte kurz vor dem Abheben mit einem Schneeräumfahrzeug zusammen. Nicht nur de Margerie, sondern auch die drei anderen Insassen starben bei dem Zusammenstoß. Der Lenker des Schneepflugs überlebte hingegen unverletzt. Er habe sich, so die russischen Ermittlungsbehörden, zum Zeitpunkt des Unfalls „im Alkoholrausch“ befunden.
Ermittlungen sind im Gange
Die doch ungewöhnliche Weise, wie der Manager ums Leben kam, nährte – wie nicht anders zu erwarten – Spekulationen, de Margeries Tod sei mehr als ein tragisches Ereignis. Die französische Luftfahrtermittlungsbehörde BEA kündigte an, drei Ermittler nach Moskau zu schicken, um der genauen Unfallursache auf den Grund zu gehen. Und die Pariser Staatsanwaltschaft will, so hörte man aus Justizkreisen, Untersuchungen wegen fahrlässiger Tötung einleiten – was allerdings in solchen Fällen Routine ist.
Doch wer war der Mann, den Frankreichs Präsident François Hollande am Dienstag „betroffen und traurig“ als „unabhängigen Charakter mit origineller Persönlichkeit“ bezeichnete? De Margerie wurde 1951 geboren, er entstammt der Champagner-Dynastie Taittinger. 1974 begann er bei dem französischen Mineralölunternehmen zu arbeiten. 2007, kurz vor seiner Bestellung zum Generaldirektor des drittgrößten Ölkonzerns Europas, wurden gegen ihn Ermittlungen eingeleitet. Den Vorwurf, er hätte die Regierung des Irak bestochen, um Aufträge an Land zu ziehen, kommentierte er nur mit dem Wort „bullshit“. Tatsächlich konnte dem resoluten Manager nichts Strafbares nachgewiesen werden. 2013, nach jahrelangen Ermittlungen, wurde das Verfahren eingestellt.
Konfrontationen ging der Total-Chef so gut wie nie aus dem Weg. Als der Westen wegen der Ukraine-Krise gegen Russland Sanktionen verhängte, kritisierte er diesen Schritt vehement: „Können wir ohne russisches Gas in Europa leben? Die Antwort ist Nein! Und es gibt auch keinen Grund dazu.“
Putin-Freund – Dollar-Kritiker
Gerade in den letzten Monaten versuchte „Big Moustache“, so sein Spitzname, das Geschäft mit Russland noch weiter zu intensivieren. Gemeinsam mit seinem russischen Konkurrenten Lukoil plante Total ein Joint Venture, um Schieferöl in Westsibirien zu fördern. Kein Wunder, dass Vladimir Putin den Franzosen als Gast immer herzlich willkommen hieß. Geschätzt hat der russische Präsident wohl nicht nur dessen krisensichere Loyalität, sondern auch de Margeries abwehrende Haltung der US-amerikanischen Währung gegenüber. „Ohne den Dollar auszukommen, wäre nicht realistisch, aber es wäre gut, wenn der Euro mehr gebraucht würde“, sagte er im Sommer. „Es gibt keinen Grund, Öl mit Dollar zu bezahlen.“
Der Mineralölkonzern steht nach dem plötzlichen Tod seines CEO vor der Aufgabe, rasch einen Nachfolger zu finden. Noch Dienstag Nacht trat die Führungsspitze zu einer Krisensitzung zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Der Tradition des Öl-Konzerns entsprechend, wird erwartet, das de Margerie jemand aus dem Haus nachfolgen wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)