Umweltschützer: Klimaziele sind "Kniefall vor Industrie"

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Umweltschützer von Global 2000 oder Greenpeace bezeichnen die beschlossenen Klimaziele der EU-Staaten als Minimalkompromiss. Auch Umweltminister Andrä Rupprechter hätte sich "mehr erwartet".

Umweltschutz-Organisationen haben die beim EU-Gipfel beschlossenen Klimaziele einhellig als unzureichend kritisiert. Von einem "Kniefall vor den Interessen der Industrie" spricht Global 2000, für Greenpeace ist der erreichte Kompromiss eine "Blamage für die europäische Politik". Aus dem Umweltministerium kommt Kritik: Rupprechter hätte sich "mehr erwartet". Bundeskanzler Faymann bezeichnet die Ergebnisse des Klimagipfels als "gutes Zeichen".

Umweltschützer sind enttäuscht

Mit dem Ziel von 40 Prozent Treibhausgasreduktion, einem für die Nationalstaaten unverbindlichen Ziel von 27 Prozent Erneuerbaren-Anteil und einem unverbindlichen Ziel von 27 Prozent Effizienzsteigerung bis 2030 sei ein Minimalkompromiss abgesegnet worden, der die Atom- und Kohleenergie begünstige und die Energie-Importabhängigkeit Europas auf Jahrzehnte festschreibe, kritisiert der Klima- und Energiesprecher von Global 2000, Johannes Wahlmüller, am Freitag in einer Aussendung.

Greenpeace sieht außerdem eine "gravierende Missbrauchsgefahr", da Ausgleichszahlungen an die osteuropäischen Staaten in Kohle und Atomenergie statt in erneuerbare Energie und Energieeffizienz gesteckt werden könnten.

"Atomenergie werde salonfähig gemacht"

In die gleiche Kerbe schlagen auch die Ökostrom-Lobbyisten. "Die Ziele sind leider das Papier nicht wert auf dem sie stehen", sagt der Geschäftsführer der IG Windkraft, Stefan Moidl. Der Versuch einer Demontage der Energiewende werde fortgesetzt und die Atomenergie wieder salonfähig gemacht.

Der Geschäftsführer des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich, Jurrien Westerhof, bewertet die Beschlüsse des EU-Gipfels als "Sieg für jene Kräfte, die sich nicht von fossilen Energien und Atomkraft verabschieden wollen".

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) findet es "enttäuschend, dass die Ziele für erneuerbare Energie und für mehr Energieeffizienz für die Nationalstaaten unverbindlich sind". Allerdings sieht der VCÖ auch die Chance, dass Österreich zu "Europas Kompetenzzentrum für klimafreundlichere Mobilität" wird.

Kritik vom Umweltminister

Für Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) ist das vom EU-Gipfel beschlossene Klima- und Energiepaket ein Kompromiss "den man angesichts des Umfeldes mittragen muss", aber kein Grund zur Euphorie. "Ich hätte mir mehr erwartet", so der Umweltminister heute in einer Pressemitteilung.

Die fehlende Aufteilung des Erneuerbaren-Ziels auf die EU-Mitgliedstaaten fördere die Nuklearenergie. "Dagegen werde ich mit aller Kraft gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung auftreten - Stichwort Hinkley Point C", so Rupprechter.

Die Einigung an sich beurteilt er positiv. Die Positionierung sei ein notwendiger Schritt gewesen, um alle Mitgliedsstaaten für den Weltklimavertrag, der 2015 in Paris abgeschlossen werden soll, an Bord zu haben. Erstmals sei auch eine verbindliche Verbindung von Wirtschaftswachstum und Klimazielen geschaffen worden. "Der Vorreiterrolle von einigen österreichischen Unternehmen wurde damit Rechnung getragen."

Bundeskanzler Faymann: "Gutes Zeichen"

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht trotz Abstrichen beim am EU-Gipfel verabschiedeten Klima- und Energiepaket das vorliegende Ergebnis als "gutes Zeichen". "Wir sind jedenfalls einen Schritt voraus für die Verhandlungen mit den USA oder China oder den Kontinenten auf dieser Welt, wo dringend etwas gemeinsames zustande zu bringen ist", sagte Faymann Freitag am EU-Gipfel in Brüssel.

"Wir Österreicher hätten uns ein bisschen mehr vorstellen können. Aber in einer Diskussion von 28 ist entscheidend, dass ein Ergebnis zustande kommt. Das ist noch nicht offiziell abgestimmt. Aber allein, dass wir zu einem Ergebnis kommen, davon gehe ich aus, ist ein gutes Zeichen." Immerhin "waren die Positionen so weit auseinander wie Nord und Süd", erklärte der Kanzler.

Dies sei auch der Grund, warum es doch Abstriche gab. "Wenn sich zwei treffen, und verschiedener Meinung sind, muss man sich in der Diskussion zusammen streiten. Entscheidend ist, was bleibt über. Und es bleibt ein 40 Prozent-Ziel (für die CO2-Reduktion, Anm.) über, das für viele Länder eine harte Voraussetzung ist, um es überhaupt erreichen zu können. Noch dazu in schwierigen Zeiten. Ich gehe davon aus, dass wir unsere Hausaufgaben in Österreich erledigen können."

Hintergrund

Der EU-Gipfel hatte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ein Paket 40:27:27 erzielt. Das bedeutet, dass die Treibhausgase bis 2030 bezogen auf 1990 um mindestens 40 Prozent sinken müssen, der Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 27 Prozent steigen soll und auch 27 Prozent für die Energieeffizienz vorgesehen sind. Ursprünglich war ein Paket 40:30:30 angepeilt worden.

(APA/Red.)

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