Nach dem Stresstest ist vor dem Stresstest

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Die Bankenunion ist ein seit Langem notwendiger Schritt in die richtige Rich- tung. Die Fehler früherer Bankenrettungen dürfen nicht wiederholt werden.

Selten zuvor dürften die Server der Europäischen Zentralbank an einem Sonntag so belastet gewesen sein wie am gestrigen Nationalfeiertag. Wer pünktlich zu Mittag die Ergebnisse des ersten großen Werks der Frankfurter Behörde in ihrer Funktion als europäische Bankenaufsicht sehen wollte, musste minutenlang warten. Die präsentierten Zahlen brachten schließlich wenig Überraschendes: 25 der 130 geprüften europäischen Banken haben die Mindestanforderungen nicht erfüllt. Bei diesen 25 Banken würden Kreditausfälle und faule Wertpapiere im Fall einer neuerlichen kräftigen Rezession zu viel von jenen Geldern wegfressen, die die Institute von ihren Aktionären und den Staaten erhalten haben. Eine Zahl, die schon in den Tagen zuvor sukzessive an die Öffentlichkeit sickerte.

Auf den Märkten dürfte die Aufregung über die Ergebnisse daher überschaubar bleiben. Wesentlich entscheidender ist nämlich die Frage, wie aussagekräftig der Stresstest überhaupt ist. Die EZB und ihre nationalen Abteilungen wie die heimische Nationalbank werden nicht müde, darauf zu verweisen, dass der aktuelle Test wesentlich härter als jene der Vergangenheit sei. So sei gegenüber dem Standard-Szenario ein Einbruch der Wirtschaft von 6,6 Prozent in drei Jahren simuliert worden. Das Standard-Szenario wurde jedoch bereits im Vorjahr festgelegt und beinhaltet etwa für Österreich ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent für heuer. Ein Wert, von dem sich die Ökonomen – auch innerhalb der Nationalbank – bereits lang verabschiedet haben. Hinzu kommen Ukraine-Krise und Russland-Sanktionen, bei denen nach wie vor unklar ist, ob ihre Auswirkungen nicht stärker sind als der im Test simulierte Rückgang der osteuropäischen Wirtschaft.

Dass das überwiegend positive Abschneiden beim Stresstest kein Persilschein für die Zukunft ist, sieht man jedoch ohnehin auch bei den Aufsichtsbehörden. So meinte Nationalbank-Vize Andreas Ittner beispielhaft, dass eine bestandene Gesundenuntersuchung ja auch nicht ergebe, dass man ohne Probleme einen ganzen Marathon laufen könne. Es ist daher anzunehmen, dass sich auch in den heimischen Bankzentralen keine Illusionen über das notwendige „Fitnesstraining“ gemacht werden. Nicht zuletzt angesichts der immer noch angespannten Situation in den ehemaligen Boom-Ländern des Ostens, in denen viele Kredite auf Jahre gestundet wurden, in der Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Lage bessere und die Menschen wieder das Geld zur Rückzahlung hätten.

In diesem Punkt liefert der Stresstest übrigens einige sehr interessante Details. So hat die EZB die Zahlen aus den Bankbilanzen per Ende 2013 einem eigenen Review unterworfen. Und dieser fiel um einiges strenger aus, weil auch „erwartete Verluste“ abgeschrieben wurden. Für die heimischen Banken bedeutete dieser Review eine Reduktion der Kapitalquote um bis zu zehn Prozent. In ganz Europa reduzierten sich die Werte in den Büchern der Banken um 48 Milliarden Euro. Daran ist erkennbar, wie „weich“ die Zahlen aus einer Bankbilanz sind, weil sie oft weniger von harten Fakten als schlicht von der Einschätzung der künftigen Entwicklung abhängen.


Der Stresstest ist ein sinnvolles Hilfsmittel für die Suche nach Risken im Bankensystem, das haben auch die Erfahrungen aus den USA gezeigt. Allerdings können selbst mit noch so strengen Kriterien nur die erwarteten Auswirkungen des simulierten Schocks aufgezeigt werden. Wie die Realität gezeigt hat, bleibt es bei einer echten Krise aber nicht nur bei diesen.

Daher braucht es die europaweite Bankenunion – und vor allem den darin enthaltenen Abwicklungsfonds –, die sechs Jahre nach Ausbruch der Krise nun endlich in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Denn dass die nationale Politik bei Bankenkrisen in der Regel überfordert ist, zeigt nicht zuletzt das Beispiel ÖVAG. In die nicht systemrelevante Bank wurde noch vor zwei Jahren über eine Steuermilliarde gebuttert. Gebracht hat es nichts, das Institut muss nun dennoch abgewickelt werden. Ein Fehler, der sich nie wiederholen darf.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

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