Biologie: Schimpansen planen ihr Frühstück exakt

(c) EPA (Mick Tsikas)
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Die Evolution der Intelligenz hängt daran, dass in die Zukunft gedacht wird, wann und wo es Futter gibt.

Nicht jeder kann am Morgen, noch im Halbschlaf, den immer gleichen Weg zur Nahrungsquelle schlurfen und in den auch immer gleichen Ritualen des Frühstücks in den Tag gleiten. Das ist unser Privileg, auch das unserer Haus-, Nutz- und Zootiere, in der Natur sieht es anders aus, dort ist der Tisch nicht immer gedeckt, zumindest nicht ausreichend, dort müssen alle Sinne offen gehalten werden, gegenüber Lockungen, Drohungen, Konkurrenz. All das muss das Gehirn verrechnen, das hat Katherine Milton (Berkeley) vor 30 Jahren zu einer Hypothese über die Evolution der Intelligenz geführt, sie hieß zunächst „ecological intelligence“.

Inzwischen hat sie Namen und Ausformungen ohne Ende, im Kern geht es darum, dass ein Tier erstens wissen muss, wo es Nahrung findet, und zweitens, wie es diese Nahrung erschließt, öffnet etc. Dann kam Konkurrenz, die Hypothese der „social intelligence“ setzte darauf, dass die Anforderungen des Gemeinschaftslebens das Gehirn verfeinern. Das setzte sich durch, wurde aber in der letzten Zeit dahin relativiert, dass soziale Intelligenz auf das Sozialleben beschränkt ist und nichts etwa damit zu tun hat, wo man eine Nuss findet und wie man sie knackt.
Hier kam die ökologische Intelligenz zurück, lange auf den Raum beschränkt, aber nun hat Karline Janmaat (MPI Evolutionäre Anthropologie, Leipzig) auch die Zeit integriert: Tiere, die im Regenwald hinter Früchten her sind, müssen nicht nur wissen, wo die Bäume stehen, sondern auch, wann sie tragen. Vor dieser Herausforderung stehen etwa Schimpansen im Tai-Nationalpark der Elfenbeinküste, vor allem die Weibchen mit Jungen stehen davor. Janmaat hat fünf über 275 Tage exakt beobachtet, in der Zeit nahm das Futterangebot drei Mal zu und ab, vor allem das einer höchst begehrten, aber immer nur ganz kurz zur Verfügung stehenden Frucht, der des Feigenbaums.

Ist ein erreichbarer reif, stehen die Schimpansinnen früh auf aus den Nestern, die sie jeden Abend hoch oben in Bäumen anlegen. Dann sind sie vor Sonnenaufgang unterwegs, der Dunkelheit und ihren Gefahren zum Trotz – um die Zeit jagen Leoparden –, sie wissen, dass die Konkurrenz groß ist. Aber woher wissen sie, wann sie wohin müssen? Sie riechen die Feigen nicht, sie sehen sie nicht, beides kann Janmaat ausschließen, es hängt alles am Gedächtnis der Mütter, die schon einmal an den Bäumen waren. Aber warum gehen sie die Risken ein, warum bauen sie die Nester nicht direkt neben den Feigen? Weil beim Nestbau viel berücksichtigt werden muss, nur wenige Bäume bieten eine optimale Architektur der Äste etc.

Der Mensch bedroht die Affenklugheit

Immerhin, die Nester werden an Wegen zu Feigenbäumen hin angelegt (Pnas, 27. 10.). „Unsere Studie ist die erste, die zeigt, wie eine zukunftsorientierte kognitive Fähigkeit bei Nahrungsknappheit und hoher Konkurrenz benutzt wird“, schließt Janmaat. Ihre Studie könnte auch eine der letzten dieser Art sein: Sabine Crief (Patris) hat an den Rändern eines Nationalparks in Uganda bemerkt, dass Schimpansen bei der Futtersuche zunehmend in die Nacht ausweichen, weil ihnen Menschen mit ihren Aktivitäten bei Tag zu eng auf den Hals rücken (PLoS One, 22. 10.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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