AUA-Verkauf wird zum Fiasko

(c) AP (Stephan Trierenberg
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Lufthansa, Air France/KLM zieren sich und pokern auf Zeit, russische S7 winkt ab. Bei einer Verschiebung des Verkaufs muss der Staat der defizitären AUA rasch Geld zuschießen.

Wien. Der Aktienkurs der AUA sprach am gestrigen Handelstag Bände: Zuerst ging er steil nach oben – um dann, nach einer kurzen Pause, steil abzustürzen. Am Dienstag, an dem die Frist für verbindliche Angebote für die AUA endete, lagen die Nerven nicht nur an der Börse blank. Auch in der Staatsholding ÖIAG, bei der Investmentbank Merrill Lynch und der AUA selbst war die Anspannung förmlich greifbar. Nicht zu Unrecht: Am Ende des Tages lagen keine Angebote am Tisch. Auch nicht von der russischen S7, die zuvor enormes Interesse gezeigt hatte. Ihnen war die Finanzierung offenbar zu heiß.

Während die als Favorit gehandelte Lufthansa ein Offert mit Einschränkungen legte, signalisierte Air France/KLM nur mehr Interesse, ein Angebot legte sie aber nicht. Franzosen und Deutsche kritisieren die „Rahmenbedingungen“. Konkret bemängeln sie die „dürftigen“ Informationen, die ihnen im Zuge des seit 13. August laufenden Privatisierungsprozesses zur Verfügung gestellt worden sind, erfuhr die „Presse“ aus mit der Privatisierung befassten Kreisen.

Die Lufthansa, Partner der AUA im Nachbarschaftsverkehr, bei Technik und Wartung sowie in der Star Alliance, soll signalisiert haben, dass sie noch zwei Monate Zeit benötige, um sich ein realistisches Bild von der wirtschaftlichen Lage der AUA zu machen.

Der zweite Kritikpunkt betrifft den Preis, der auch mit der prekären wirtschaftlichen Lage der AUA zu tun hat: Offiziell müssen die Bieter den Preis erst am Freitag nennen, aber in Paris wie auch in Frankfurt und Moskau soll man die im Zuge der Kursverluste der vergangenen Wochen nach unten revidierten Preiswünsche der ÖIAG von rund fünf Euro je Aktie als immer noch zu hoch erachten. Gleichzeitig sind die Käufer offenbar vor den Schulden in Höhe von 900 Mio. Euro zurückgeschreckt.

Schuldennachlass gefordert


„Ein Euro (Kaufpreis, Anm.) und der Nachlass zumindest eines Teils der AUA-Schulden von 900 Millionen Euro“ – diese Vorstellung von Air France/KLM und Lufthansa machte am Dienstag in Luftfahrtkreisen die Runde. Lufthansa-Boss Wolfgang Mayrhuber hat mehrfach durchblicken lassen, dass er die AUA-Schulden nicht übernehmen wolle, weil die Lufthansa drohe ihr gutes Rating zu verlieren. Derzeit ist die AUA an der Börse 380 Millionen Euro wert, der Staat hält über die ÖIAG 42,75 Prozent.

Angesichts dieser jüngsten Entwicklung kann die ÖIAG nun zwischen Pest und Cholera wählen:

  • Sie verhandelt mit allen drei Partnern weiter: Allerdings haben die Russen, die der AUA ein Passagierwachstum im Russlandverkehr versprochen haben, mehrere Nachteile. Sie werden zumindest indirekt vom Kreml gesteuert. S7 hat die staatliche Gazprombank und die Sberbank hinter sich. Da sich auch Russland mitten in der Finanzkrise befindet, bestehen Zweifel, ob S7 den AUA-Kauf (inklusive Schulden und Geld für die Sanierung) finanzieren kann. Noch schwerer ins Gewicht fällt der drohende Verlust der EU-Lizenz der AUA, sollte die Nicht-EU-Airline S7 die AUA übernehmen.
  • Die ÖIAG verhandelt mit der Lufthansa und auch Air France/KLM. Da gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Die ÖIAG räumt übers Wochenende die Hürden aus – bisher geheime Verträge sollen Samstag und Sonntag zur Einsicht offen stehen – und der Verkauf wird wie geplant am 27. Oktober besiegelt.
  • Oder sie verlängert den Zeitraum für die Privatisierung. Dazu braucht die Staatsholding von der noch amtierenden Regierung eine Verlängerung des Privatisierungsauftrags. Das dürfte kein Problem sein, da Kanzlerkandidat Werner Faymann (SPÖ) und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) dies bereits zugesagt haben.
  • Der Verkauf wird abgeblasen. Dieses Szenario wird zwar von Teilen der Gewerkschaft und des AUA-Betriebsrates sowie in SPÖ-Kreisen goutiert – ÖIAG und AUA-Spitze schließen dies nicht nur wegen der drohenden internationalen Blamage aus.

Der Alleingang würde nicht nur einen Absturz der Aktie zur Folge haben. AUA-Chef Alfred Ötsch müsste angesichts des durch den Wirtschaftsabschwung einsetzenden Rückgangs der Nachfrage ein einschneidendes Sparpaket schnüren, das dem Vernehmen nach schon in der Schublade liegt.

Vor allem bräuchte die defizitäre AUA aber dringend frisches Geld – die Rede ist von bis zu 500 Millionen Euro. Da die Banken diese Geldspritze nicht geben wollen oder angesichts der Finanzkrise nicht geben können, müsste die ÖIAG tief in die Tasche greifen. Die „Reverstaatlichung“ würde einen neuen Privatisierungsanlauf erschweren.

(Die Presse, Printausgabe, 21.10.2008)

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