Afghanistan: 20 Jahre Haft wegen Kritik an der Rolle der Frau im Islam

(c) Reuters (Adnan Abidi)
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Ein Journalist wurde verurteilt, weil er einen religions-kritischen Text verbreitete. Zuvor war gegen ihn die Todesstrafe verhängt worden.

WIEN/PARIS (hie). Sein einziger Fehler war es, seinen Freunden einen Artikel empfohlen zu haben, in dem die Stellung der Frau im Islam hinterfragt wird. Deshalb wurde der afghanische Journalist Sayed Perwiz Kambachsch nun wegen Gotteslästerung zu 20 Jahren Haft verurteilt. Dabei hat der 23-Jährige noch Glück. Das Berufungsgericht in Kabul hob ein Todesurteil auf, das im Jänner ein Provinzgericht in Mazar-i-Sharif ausgesprochen hatte.

„Ich werde diese Entscheidung nicht akzeptieren“, sagte Kambachsch nach der Urteilsverkündung. Ihm ist die Solidarität der „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) sicher. „Kambachsch hat nichts getan. Er hat den Text nicht geschrieben, sondern nur gelesen und an ein paar Studienkollegen weitergegeben“, erläutert der ROG-Mitarbeiter Reza Moini gegenüber der „Presse“. Geschrieben hat den islamkritischen Text ein iranischer Publizist, und zwar vor zwei Jahren. Moini vermutet, dass mit dem Urteil auch Kambachschs Bruder eingeschüchtert werden soll, der ebenfalls Journalist ist.

„Ungerechter Prozess“

Der Prozess hat mehrere Wochen gedauert und laut ROG unter unwürdigen Bedingungen stattgefunden. Er war mehrmals unterbrochen worden, die Beteiligten verhielten sich angeblich nicht neutral: „Die Richter agierten im Sinne des Staatsanwaltes, die Unschuldsvermutung war von Anfang an außer Kraft“, kritisiert Moini.

Kambachschs Anwalt zeigte sich geschockt: „Die Richter haben Kambachsch aufgrund ihrer persönlichen Ansichten verurteilt und gegen das islamische Recht verstoßen“. Eine ROG-Mission kämpft in Afghanistan für die Freilassung des Journalisten. Kambachsch sitzt bereits seit einem Jahr im Gefängnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2008)

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