"Im Zentrum" (ORF2): Was dürfen Stermann und Grissemann?

(c) ORF (Milenko Badzic)
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Im ORF diskutierten Politiker und Künstler darüber, was Kunst "darf" und was sie nicht darf. Eine verfahrene Debatte mit einem gemeinsamen Nenner.

Der ORF ist ja doch noch für Skandale gut: Dirk Stermann und Christoph Grissemann hatten sich in "Willkommen Österreich" am 23. Oktober über den Umgang mit Haiders Tod lustig gemacht. Ein Sturm der Entrüstung folgte, angeführt von BZÖ- und FPÖ-Politikern. Ein geplanter Auftritt in Klagenfurt wurde abgesagt, die beiden Kabarettisten bedroht. Der ORF reagierte erstaunlich reif und berief eine Diskussionsrunde ein.

Der designierte Kärntner BZÖ-Obmann Uwe Scheuch suchte dabei - betont im Kärntner Dialekt - nach Unterstützung für seinen Ruf nach Pietätsgrenzen. Vergeblich. Sein Hauptgegner, der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, gab sich großspurig: Wenn er all das, was ihm nicht gefalle, in Wien nicht zulassen würde, gäbe es in der Hauptstadt wenig Kultur, meinte er. Das sorgte zumindest kurzfristig für Erheiterung.

„Wenn Künstler einmal ihren Auftritt absagen, weil sie sich nicht mehr sicher genug fühlen, müssen alle Alarmglocken läuten", erklärte Mailath-Pokorny weiter - und rannte damit genauso wie mit allen Diskussionsbeiträgen gegen die Argumentationsmauer von Uwe Scheuch: Dieser instrumentalisierte „alle Kärntner und Kärntnerinnen" als Gesinnungsgemeinschaft, die sich durch die Satire verletzt gefühlt habe. Und er setzte wie auch oft in der politischen Diskussion das BZÖ gleich mit allen Kärntnern.

Erschreckend deutlich wurde ein prekärer Standpunkt Scheuchs - und somit wohl des BZÖ: Der folgt konsequent der Meinung der Mehrheit. Von "den Kärntnern" sprach er, oder der "Mehrheit der Kärntner" und was diese Mehrheit wolle, das glaubt er zu wissen und zu vertreten. Mit dem Ruf, den Auftritt der Kabarettisten nicht zu erlauben, hat sich der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler überdeutlich als Nicht-Staatsmann präsentiert. Und gezeigt, dass in Kärnten für Gegenkultur offenbar kein Platz ist. Überraschung war das keine, mit Minderheiten konnten Haider und das BZÖ ohnehin nie besonders gut umgehen.

Der Produzent der Late-Night-Show, David Schalko, versuchte zu verdeutlichen, dass man einen "Gegenpol zu dieser Heiligenverehrung" schaffen wollte, die nach dem Tod Jörg Haiders in den Medien geherrscht habe. Als Verteidigung führte Schalko auch an, dass die diskutierte Sendung vor der Ausstrahlung ganz genau rechtlich überprüft worden sei und dass kein Bezug auf die Familie von Haider genommen worden wäre. Mit seiner ruhigen Art verschaffte er sich aber kaum Gehör und ging im Schlagabtausch zwischen den politischen Akteuren fast unter.

Der Karikaturist Gustav Peichl (Ironimus) kam erst sehr spät zu Wort und beschwerte sich, nur ein „Pausenkasperl" in der TV-Diskussion zwischen den politischen Vertretern zu sein. Darum versuchte er, die Diskussion auf eine allgemeine Ebene zu führen: Sein Argument: „Kunst darf Alles" stieß aber auf Kritik - denn nach Meinung aller Diskussionspartner gibt es sehr wohl Grenzen, die vom Strafrecht festgelegt werden. Peichl wollte auch darüber reden, was gute Kunst ist und was nicht. Sein Standpunkt: Bei Grissemann und Stermann sei "der Humor nicht vorhanden". Auch hier ein Gegenpol: Der zweite Karikaturist Gerhard Haderer, der mit seinen Jesus-Buch selbst in der Kritik stand, fand die Satire super.

Verbal untergegangen ist die Journalistin Hedwig Kainberger von den "Salzburger Nachrichten", die kam kaum zu Wort. Und Moderator Peter Pelinka freute sich darüber, dass der ORF eine Diskussion wie diese ermöglichte. Das dürfe er sagen, weil er nicht beim ORF angestellt sei. Alles in allem aber eine äußerst schwache Vorstellung des Moderators, der überfordert wirkte, kaum in die Diskussion eingriff und dadurch ein Podium für die beiden Politiker in der Diskussionsrunde zuließ. Und fast ein Fauxpas: Ein Moderator sollte sich wenigstens so gut auf die Sendung vorbereiten, dass er die Namen der Kabarettisten richtig aussprechen kann.

Mit einem - entschärften - Zitat von Voltaire konnte Mailath-Pokorny gegen Schluss die Diskutanden doch noch einen: "Ich bin zwar nicht ihrer Meinung, aber ich tue alles, damit Sie Ihre Meinung vertreten können." Nur leider liegen Theorie und Praxis im Alltag meist weit auseinander.

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