Haidermania und die BZÖ-Zündler

Wer sich den Mund nicht verbieten lässt, muss sich ernsthaft Sorgen machen.

Erst ein bisserl Öl ins Feuer gießen und dann feeeest blasen. So entsteht der schönste Kollateralschaden, und die Unschuldsmiene bleibt gewahrt. Das BZÖ gefällt sich nach dem Tod Jörg Haiders und einer ORF-Satire auf den darauf folgenden Personenkult (in „Willkommen Österreich“) in dieser Rolle und meint, mit aufgeblasenen Backen ein ganzes Bundesland gegen zwei Kabarettisten verteidigen zu müssen. Die fühlen sich mittlerweile ihres Lebens nicht mehr sicher und mussten einen in Klagenfurt geplanten Auftritt absagen (was das BZÖ zuvor gefordert hatte). Die FPÖ assistiert – und verlangt ein Auftrittsverbot für Dirk Stermann und Christoph Grissemann im ORF.

Alles mit Unschuldsmiene: Der Ruf nach Zensur wird unter dem Mäntelchen der Pietät erhoben. Und Sabotageakte (gegen das Auto eines Kabarett-Organisators) werden mit einem Augenzwinkern ins Lächerliche gezogen, statt sie als Warnsignale für eine bedenkliche Entwicklung zu deuten: Kunst muss aufpassen, was sie sagt. Kabarett wird in die Schranken gewiesen. Wer sich den Mund nicht verbieten lässt, muss sich ernsthaft Sorgen machen. Das weckt böse Erinnerungen – an den Streit um die Mohammed-Karikaturen oder die vorauseilende Furcht, die das Erscheinen von Büchern erschwert (wie im Fall von Sherry Jones „The Jewel of Medina“).

Der ORF tut das einzig Richtige – und stellt nicht die Sendung ein, sondern das Vorgehen des BZÖ ebenso zur Diskussion wie die Frage, was Kunst alles darf und was eben nicht („Im Zentrum“ am Sonntag). Allerdings haben sich Ster- und Grissemann offenbar eingebunkert und hielten es für besser, sich der Debatte zu verweigern – sie kamen nicht ins Haas-Haus und geben derzeit auch keine Interviews. Eine so dünne Haut hätte man den beiden, die doch nichts lieber tun, als lustig auszuteilen, gar nicht zugetraut...

Für sie stieg „Willkommen Österreich“-Regisseur David Schalko gegen den designierten Haider-Nachfolger Uwe Scheuch in den Ring und erinnerte daran, dass es „ein demokratisches Recht auf Satire“ gebe: „Es geht nicht darum, ob man das gut oder schlecht findet. Man darf es.“ Wenn Kabarett keine Gesetze verletzt. Und das ist bei der in die Kritik geratenen ORF-Sendung der Fall. Karikaturist Gerhard Haderer fühlt sich an seine Erfahrungen mit dem satirischen Jesus-Buch erinnert: „Was ist los im Land? Wöchentlich gibt es neue Instanzen, die Richtlinien für Satire vorgeben. [...] Man muss Meinungen, die nicht die eigenen sind, zulassen.“ Überzeichnung gehört zum Geschäft. Provokation auch. Und wer nicht will, kann aussteigen – am Fernseher umschalten, nicht zu Vorstellungen gehen. Weil sich gerade über Humor eben nicht streiten lässt.

Abdrehen? Eine klare, einfache Lösung – völlig ungeeignet für das große Haider-Theater, das derzeit in Kärnten gespielt wird. Das BZÖ nutzt Haiders Tod mit politischem Kalkül, um auf der Solidaritätsschiene zu weiteren Erfolgen zu fahren. Aber auch Stermann und Grissemann profitieren von dem Trubel: Das Video zur Sendung wurde bereits über 135.000 Mal auf YouTube abgerufen. Und der ORF? Der nutzt die Gelegenheit und macht mit dem letzten Weg Haiders Geschäfte: Die Doppel-DVD „Der Abschied“ ist um 20 Euro im ORF-Shop zu haben. Danke, Jörg!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2008)

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