Wie vereinbar sind Europa und der Islam?

Diskussion über einzelne Koransuren als Grundlage der Integrationsdebatte.

WIEN.Wie hilfreich ist es, einzelne Koransuren zur Grundlage des Umgangs mit Muslimen zu machen – etwa Sure 4,35, die oft als Legitimation für das Schlagen von Frauen interpretiert wird? Sehr, meint Christian Zeitz, Vorstandsmitglied des Wiener Akademikerbundes.

Er sagt bei der Diskussion „Gibt es einen Euro-Islam?“ in der Politischen Akademie der ÖVP, Integration bedeute, dass sich Muslime von Stellen wie dieser distanzieren müssen. „Zitate aus der Bibel oder dem Koran zu holen, bringt nichts“, meint dagegen die türkischstämmige VP-Gemeinderätin Sirvan Ekici. Sie fordert dennoch, dass Muslime in Österreich sich an Gesetze halten und von nichtreligiösen Bräuchen aus der alten Heimat lösen müssen.

Dass man aber nicht gleich jedes sichtbare Zeichen des Islam verteufeln muss, meint Wolfram Eberhardt, Journalist beim deutschen Nachrichtenmagazin Focus: „Ich habe nichts dagegen, wenn überall Moscheen stehen – entscheidend ist, was drinnen gesagt wird.“ Prediger, die etwa Verbote gemäß der Scharia aussprechen, seien tatsächlich ein Problem für das Zusammenleben.

Doch ist die Religion tatsächlich der Kern des Problems? Diese Frage wirft Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide auf. Er sagt, dass der Glaube für den Großteil der Migranten keine große Rolle spielt. Vielmehr gebe es soziale Probleme, die das Zusammenleben erschweren. Türken der zweiten Generation würden etwa sowohl in Österreich als auch in der Türkei nicht voll akzeptiert – einige würden sich dann eben in die Religion flüchten.

„Entweder oder“

Gleichzeitig stelle man sie vor die Wahl, „entweder Europäer oder Muslim“ zu sein – die Chance, so Khorchide, liege im „sowohl als auch“. Bis dahin werde es aber noch dauern, dies sei ein Prozess, der eine gewisse Zeit brauche.

Eine Zeit, die Zeitz nicht mehr abwarten will: „Was haben 50 Jahre Dialog gebracht?“, fragt er und sieht durch Muslime die gesamte Zivilisation gefährdet: „Seid Ihr gekommen“, fragt er die Muslime im Publikum, „um Eure Religion auszuleben oder um das Land zu islamisieren?“ Eine Aussage, die Sirvan Ekici auf die Palme treibt: „Meine Großeltern sind sicher nicht gekommen, um das Land zu islamisieren.“ Vielmehr seien sie damals als Arbeitskräfte gebraucht worden. Und auch im Auditorium fühlen sich einige junge Muslimas provoziert: „Wo sind denn in Österreich die 50-Jährigen, die eine 6-Jährige heiraten?“, fragt eine.

Die Frage, ob es einen Euro-Islam gibt, bleibt am Ende weitgehend unbeantwortet. Dass jedoch weiter einzelne Koransuren herangezogen werden, um die Inkompatibilität von Europa und Islam zu belegen, scheint sicher. Sowohl von Islam-Kritikern als auch von islamischen Fundamentalisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2008)

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