Als Favoritin für die Nachfolge Ferrero-Waldners in der EU-Kommission gilt Maria Berger, die Justizministerin soll 2009 wieder nach Brüssel gehen.
Während in Wien über Ministerposten spekuliert wird, könnten wichtige Vorentscheidungen für das höchste Amt der Österreicher in Brüssel fallen: für jenes des EU-Kommissars, das nach Ablauf der jeweils fünfjährigen Amtszeit ab Herbst 2009 wieder zu besetzen ist. Und das der Parteienlogik zufolge nach 14 Jahren ÖVP-Kommissariat (Franz Fischler, Benita Ferrero-Waldner) und nach dem SPÖ-Sieg vom 28. September 2008 im nächsten Jahr erstmals an die Sozialdemokraten gehen wird.
Als Favoritin für die Nachfolge Ferrero-Waldners in der EU-Kommission gilt Maria Berger, die bisherige SPÖ-Justizministerin. Parteichef Werner Faymann will sie offenbar nicht in der österreichischen Regierung, er schätzt aber die europapolitische Kompetenz der früheren EU-Abgeordneten. So könnte Berger eine Rückkehr nach Brüssel bevorstehen, wo sie bereits als EU-Abgeordnete diente.
Gute Chancen für Gusenbauer
Gute Chancen auf den Kommissarposten bestehen auch weiterhin für den bisherigen Kanzler Alfred Gusenbauer, der im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs für seine EU- und weltpolitische Kompetenz geschätzt wird. Freilich mischten sich zuletzt auch kritische Stimmen darunter, weil Gusenbauer mit Faymann auf Volksabstimmungen über neue EU-Verträge in Österreich gedrängt hat. Am Ende dürfte das aber nicht so schwer wiegen, wenn die österreichische Regierung über „ihren“ Kommissar ab 2009 entscheidet. Faymann wäre Gusenbauer jedenfalls noch einen Gefallen schuldig.
Spitzenkandidaten für EU-Wahl
Wird es also doch Gusenbauer statt Berger, dann dürfte Berger ziemlich sicher SPÖ-Spitzenkandidatin für die EU-Parlamentswahlen im Juni 2009 werden. Weiblich, dynamisch, Europa-kompetent – so loben Insider die Politikerin. Damit würde Berger im Wahlkampf voraussichtlich ein „dynamisches Duo“ mit der „grauen Eminenz“ der Fraktion, dem europaweit angesehenen, erfahrenen SPÖ-Abgeordneten Hannes Swoboda, bilden.
Lange war Swoboda auch als möglicher EU-Kommissar gehandelt worden. Weil er sich als einer der ersten Sozialdemokraten kritisch zu Gusenbauers und Faymanns Vorstoß für Referenden geäußert hatte, hat er beim nächsten Kanzler aber angeblich nicht mehr den Rückhalt für den Posten.
Sollte Ferrero-Waldner aus der Kommission ausziehen, steht ihr außer einem führenden Posten im Rat der 27 Mitgliedstaaten dem Vernehmen nach frei, ebenfalls in den EU-Wahlkampf einzusteigen: als ÖVP-Spitzenkandidatin. Die Nummer eins wäre dann nicht Othmar Karas, der bisherige ÖVP-Fraktionschef und Vizechef der europäischen Fraktion der Konservativen im Parlament. Der prononcierte Europapolitiker würde sich, wie es heißt, wie Swoboda hinter „seine“ Spitzenkandidatin auf die Liste setzen lassen.
„Frauenfaktor“ zählt
Und die ÖVP-Mannschaft – im Wortsinn – hätte eine Frau auf einem prominenten Listenplatz 2009 dringend notwendig. Die derzeit einzige Frau im Team, die Landwirtschaftsexpertin Agnes Schierhuber, 62, wird nach 14 Jahren im EU-Parlament vermutlich aufhören. Selbst Ferrero-Waldner als Nummer eins könnte den Parteistrategen auf der Liste nächstes Jahr nicht genug Frauenanteil sein, wie es heißt. Als Nachwuchshoffnung für die EU-Wahl gilt in der Partei seit Jahren Ulrike Domany-Funtan, die schon 2004 auf der Salzburger Liste viele Stimmen holte. Derzeit arbeitet sie für Johnson&Johnson. In der SPÖ-Europafraktion ist es um den Frauenanteil mit Christa Prets und Karin Scheelezurzeit etwas besser bestellt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2008)