SPÖ und ÖVP einigen sich: Große Koalition steht

(c) APA (Robert Jaeger)
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Österreichs neuer Bundeskanzler heißt Werner Faymann. Außenministerin Plassnik verlässt die Regierung. Das Gesundheits-Ministerium wandert zur SPÖ, das Justiz-Ministerium zur ÖVP.

56 Tage nach der Neuwahl ist es soweit: SPÖ und ÖVP haben sich Sonntagnachmittag auf eine Neuauflage der Großen Koalition verständigt. Die Parteichefs Werner Faymann (SPÖ) und Josef Pröll (ÖVP) gaben die Einigung in einer Pressekonferenz nach der letzten rund dreistündigen Verhandlungsrunde bekannt.

Der neue Bundeskanzler Faymann bekräftigte seinen Wunsch, dass die Zusammenarbeit ganz anders aussehen werde als in den letzten 20 Monaten. Die neue Regierungsperiode werde von Teamgeist und intensiver Arbeit geprägt sein. Auch Pröll gab die Devise aus, man wolle sich "nicht ergötzen in gegenseitiger Lähmung".

Sowohl Faymann als auch Pröll betonten, die Hauptaufgabe der neuen Regierung sei die Bewältigung der Wirtschaftskrise sowie die Ankurbelung der Konjunktur. Faymann erklärte, dass die vereinbarten Ausgaben von fünf Milliarden Euro das "Löschwasser" seien, "das notwendig ist, um einen Brand zu löschen, der verheerende Auswirkungen für die Bevölkerung hätte". Pröll verwies auch auf die Steuerreform und das Familienpaket, mit denen die Menschen entlastet würden.

Der designierte Bundeskanzler Faymann bedankte sich bei Josef Pröll für die "aufrichtig gute Zusammenarbeit", man habe den Verhandlungspartner "in keiner Phase als Gegner gesehen". Pröll sagte, man habe sehr fair verhandelt. Das Ergebnis könne sich sehen lassen.

Neue Ressortverteilung

SPÖ und ÖVP haben sich auch auf eine neue Ressortverteilung geeinigt: Das Gesundheitsministerium wandert zur SPÖ, das bisher von SP-Ministerin Maria Berger geleitete Justizressort geht an die ÖVP. Außerdem behält die ÖVP das Finanzministerium, in dem künftig beide Koalitionspartner einen Staatssekretär stellen werden, wie Pröll erklärte.

Die SPÖ hält demnach folgende Ressorts: das Kanzleramt, das Frauenministerium, das Gesundheitsministerium, das um die Arbeitsagenden erweiterte Sozialministerium, das Verkehrsministerium, das Unterrichtsministerium, das um die Sportagenden erweiterte Verteidigungsministerium sowie einen Staatssekretär im Kanzleramt und einen im Finanzministerium.

Die ÖVP erhält das Finanz-, Außen- und Innenministerium sowie das um den Familienbereich erweiterte Wirtschafts- und um die Forschungszuständigkeit ergänzte Wissenschaftsministerium, sowie die Ressort für Justiz und Landwirtschaft und je einen Staatssekretär im Finanz- und im Wirtschaftsministerium.

Die Namen der künftigen Minister gaben Pröll und Faymann noch nicht bekannt. Diese werde man erst am Montag verkünden, zunächst müsse man noch die Parteigremien befassen. Faymann erklärte, er habe seine Mannschaft zwar schon im Kopf, habe aber noch nicht alle kontaktiert.

Plassnik nicht mehr in Regierung

Fix ist jedenfalls, dass die bisherige Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) nicht mehr Mitglied der Regierung sein wird. Pröll erklärte, er habe Plassnik gebeten, im Team zu bleiben: "Sie hat sich für einen anderen Weg entschieden." Die Frage, ob er selbst das Außenministerium übernehmen werde, wollte Pröll nicht beantworten. Plassnik hatte ihren Verbleib in der Regierung von einem klaren Nein zu Volksabstimmungen über EU-Verträge im Regierungsübereinkommen abhängig gemacht. Dieses Nein wurde nicht ausverhandelt, stattdessen einigte man sich auf eine Kompromiss-Klausel im Regierungsprogramm:

Regierungsprogramm zum Vertrag von Lissabon

Der Vertrag von Lissabon bleibt für Österreich ein wichtiger und bewahrenswerter Schritt. Ziel ist die rasche Inkraftsetzung und Umsetzung des Vertrages.

Grundsätzlich setzt sich die Bundesregierung zum Ziel, die Europäische Union noch demokratischer, transparenter, sozialer, bürgernäher, handlungsfähiger und moderner zu gestalten. Österreich wird darum grundsätzlich für europaweite Volksabstimmungen eintreten.

Hinsichtlich nationaler Volksabstimmungen verpflichten sich beide Koalitionsparteien, einen auf die Durchführung einer Volksabstimmung gerichteten parlamentarischen Antrag bzw. ein solches Verlangen von Mitgliedern des Nationalrates oder Bundesrates (Art. 43 und 44 B-VG) nicht gegen den Willen der jeweils anderen Koalitionspartei zu stellen oder zu unterstützen.

Für den Fall, dass eine Partei die andere bei Gesetzesbeschlüssen, Beschlussfassungen über Volksabstimmungen, Anträgen auf Volksbegehren oder sonstigen parlamentarischen Beschlüssen überstimmt, verpflichten sich die Koalitionspartner, gemeinsam einen Neuwahlantrag zu beschließen.

Die neue Koalition hat vereinbart, sich künftig im Nationalrat nicht zu überstimmen - auch nicht bei Entscheidungen über Volksabstimmungen oder U-Ausschüsse. Sollte es doch zu einer solchen Überstimmung kommen, würde es Neuwahlen auslösen, erklärte Faymann.

Zur Frage einer Volksabstimmung über künftige EU-Verträge sagte Faymann, derzeit stehe kein neuer Vertrag an. Sollte es dazu kommen, habe man "Zeit, den Koalitionspartner zu überzeugen". Pröll hingegen betonte, es sei mit der Klausel im Regierungsprogramm sichergestellt, "dass es gegen unseren Willen keine Volksabstimmung geben kann".

Die Angelobung der neuen Bundesregierung wird erst in der übernächsten Woche stattfinden. Pröll betonte, dass man zunächst den für kommenden Freitag angesetzten ÖVP-Parteitag in Wels abwarten werde.

Die Ressortverteilung

SPÖ ÖVP
Bundeskanzleramt Außenamt
Gesundheit Finanzen
Frauen Justiz
Soziales Innenamt
Verkehr Wirtschaft
Unterricht Wissenschaft
Verteidigung Landwirtschaft

(Ag./Red.)

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