Willkommen in der Socken-Singlebörse

(c) AP (Vincent Thian)
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Über manche Dinge lohnt es sich wirklich nicht mehr zu schreiben.

Wer heute noch Witze über Kärnten macht, ist schon retro. Wer sich über die hyperinflationäre Verwendung des Wortes „Lebensmensch“ echauffiert, hat den Anschluss ebenfalls verpasst. Auch jegliche Lob- oder Hassschrift über Punsch, Advent und dieses ganze Weihnachtsgetue ist angesichts unzähliger einschlägiger Elaborate längst hinfällig. Im Grunde ist ja zu jedem Thema eigentlich schon alles gesagt worden.

Zeit also, um sich langsam wieder auf das Wesentliche zu besinnen – das für uns ja immer wichtiger wird, wie Josef Hader es einmal formuliert hat. Reden wir über Socken. Darüber, dass schwarze Socken in der Waschmaschine unterschiedliche Formen annehmen, auf dass sie danach nie mehr ihrem Gegenüber zugeordnet werden können. Ja, eine Trennung tut weh. Reden wir daher auch über die Socken-Singlebörse, in der einzelne Söckchen verzweifelt auf die Rückkehr des Zwillings warten – oder ihn einfach nicht mehr erkennen, wenn er ausgebleicht und zu Tode geschleudert aus der Waschmaschine geholt wird.

Das Äquivalent zur Kontaktbörse à la „Love.at“ im Internet spielt sich in der analogen Welt der Socke meist irgendwo zwischen Wäscheständer und Kommode ab – mit ähnlich schlechten Aussichten, jemals die Wunschsocke leibhaftig zu Gesicht zu bekommen. Geben Sie es zu, auch Sie haben einen solchen Hügel der einsamen Socken, auf dem in unregelmäßigen Abständen ein – in der Regel erfolgloser – Versuch gestartet wird, aus den textilen Singles doch noch Pärchen zu bilden. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Sockenklammern. Denn über manche Dinge lohnt es sich wirklich nicht nachzudenken.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2008)

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