Cholera: Simbabwe bittet Welt um Hilfe

(c) Reuters (Philimon Bulawayo)
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Die Regierung in Harare erklärt nationalen Notstand. Sie hat kein Geld mehr für Medikamente und Chemikalien. Die WHO befürchtet eine Ausweitung der Seuche.

HARARE/GENF (wg/ag.).Selten wurde deutlicher, wie desolat das Regime von Simbabwes Langzeitautokrat Robert Mugabe ist, und wie gründlich es das Land heruntergewirtschaftet hat: Um die seit Tagen grassierende Cholera in Simbabwe eindämmen zu können, bat Walter Mzembi, Vizeminister für Wasserversorgung und Infrastruktur, die Welt um Finanzhilfe, um Chemikalien zur Wasserreinigung kaufen zu können. Das Geld müsse bis Montag einlangen. Die Summe, um die es geht: rund drei Millionen Euro. Simbabwes Finanzminister ist offenbar unfähig, diesen läppischen Betrag aufzutreiben. Tatsächlich fürchtet die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf, dass wegen des katastrophalen Zustands der medizinischen und sanitären Infrastruktur in dem Land mit seinen rund elf Millionen Einwohnern (Tendenz sinkend, weil Millionen in die reicheren Nachbarländer fliehen) die Epidemie kolossale Ausmaße annehmen könnte: „Wir stehen vor einem Desaster, es eskaliert, wir können es wohl nicht stoppen“, sagte am Mittwoch Claire-Lise Chaignat, globale Cholera-Koordinatorin der WHO. Daran sei besonders der Mangel an reinem Wasser schuld – mit Cholerakeimen verseuchtes Trinkwasser ist die Hauptansteckungsquelle.

Mehr als 560 Todesopfer

Bisher wurden in Simbabwe mehr als 12.500 Infektionen mit der Krankheit, die den Darm befällt und lebensgefährliche Durchfälle erzeugt (siehe Geschichte unten),registriert, mehr als 560 Menschen starben. Die Dunkelziffer an Infektionen könnte bis um den Faktor zehn größer sein, da die Cholera nur bei einem kleinen Prozentsatz Infizierter richtig ausbricht, und weil die Behörden Simbabwes bei der Zählung überfordert sind. Die Spitäler sind es jedenfalls: „Unsere Krankenhäuser funktionieren nicht mehr, die Belegschaft ist unmotiviert“, sagte Gesundheitsminister David Parirenyatwa, und bat ebenfalls das Ausland um Hilfe bei der Bewältigung der Krise. Die meisten Cholerafälle gibt es im Großraum der Hauptstadt Harare und nahe der Grenze zu Südafrika. Die WHO berichtet, dass im Schnitt etwa vier Prozent der Kranken stürben; in einigen Gebieten seien es 30 bis 50 Prozent. Die Cholera hat sich schon ins nahe Ausland ausgebreitet: Südafrika zählt mehr als 400 Fälle, Mosambik etwa 300, einige gibt es in Botswana. Dieses selbst ziemlich arme Land sagte Simbabwe 300.000 Euro Hilfsgeld im Kampf gegen die Cholera zu.

Zu spät für Massenimpfung

Für die flächendeckende Verabreichung von Antibiotika sei es schon zu spät, so die WHO, ebenso für eine Impfung – dafür muss man nämlich zwei Dosen des Impfstoffs im Abstand von sieben bis zehn Tagen oral einnehmen.

Simbabwe, einst eines der reichsten Länder Afrikas, erlebte in den letzten Jahren einen wirtschaftlich-sozialen Totalabsturz: Die Inflation betrug in den Sommermonaten 231 Millionen Prozent (neuere Zahlen gibt es nicht), 90 Prozent der Menschen sind ohne Arbeit, 83 Prozent leben von weniger als zwei Dollar am Tag. Die Lebenserwartung beträgt nur noch etwa 43 (!) Jahre – niedriger ist sie nur in sechs anderen Staaten.

WHO

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2008)

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