Terroralarm überschattet EU-Gipfel

(c) Reuters (Yves Herman)
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Ein Selbstmord-Attentat beim EU-Gipfel wurde vereitelt. Die Brüsseler Polizei verhaftete mögliche al-Qaida-Verbündete.

Brüssel. Die Videos waren eindeutig: Bringt eure Frauen und Kinder in Sicherheit, sie sollen sich an sichere Orte zurückziehen, so etwa lautete die Botschaft von Personen, bei denen eine Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Kaum hielten die belgischen Behörden die Videos in Händen, schritten sie zur Tat. Zu sehr deuteten die Bänder auf ein bevorstehendes Selbstmordattentat hin.

Und als ein möglicher Ort für den Anschlag, der Hunderte oder Tausende Menschen mit in den Tod hätte reißen können, galt Brüssel. Jenes Brüssel, wo sich gestern die europäischen Staats- und Regierungschefs zu ihrem zweitägigen EU-Gipfel trafen, um über die „Monsterthemen“ der französischen EU-Präsidentschaft zu verhandeln: den EU-Vertrag von Lissabon, das Konjunkturpaket und die gemeinsamen Klimaziele der 27 EU-Länder.

Faymann in Gefahr?

Die EU-Chefs, darunter Bundeskanzler Werner Faymann, und ihre Außenminister, darunter Österreichs Michael Spindelegger, hätten ein attraktives Ziel für Terroristen abgeben können, befürchteten die Behörden.

Donnerstagmorgen klickten daher vorsorglich die Handschellen für 14 Personen, von denen die Polizei nicht ausschließen konnte, dass sie mit der al-Qaida in Verbindung stehen – jener transnationalen Organisation also, die für die Terroranschläge vom 11.September 2001 in den USA verantwortlich ist. Vor der Festnahme hatte die belgische Polizei tagelang mit mehr als 200 Einsatzkräften 17 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Für 14 Einwohner Brüssels und Lüttichs bedeutete das gestern die Haft.

Außer den Videos hatte die Behörden alarmiert, dass ein Teil der Inhaftierten zuletzt offenbar Kontakt zu Malika El Aroud hatte. Sie ist die Witwe von Abdessattar Dahmane, der kurz vor 11/9 bei einem Selbstmordattentat in Afghanistan ums Leben kam. Malika blieb, so heißt es, mit ihrem zweiten Mann der Bewegung treu. Einige der Verhafteten sollen kürzlich in Afghanistan gewesen sein, um dort für Attentate ausgebildet zu werden. Das berichteten gestern der belgische Rundfunk und die Zeitung „De Standaard“.

Außer dem EU-Gipfel im Justus-Lipsius-Gebäude im Herzen des Brüsseler EU-Viertels hätte freilich auch ein anderer Ort in Europa oder in Afghanistan oder Pakistan Ziel eines Selbstmordanschlags sein können, räumte Generalstaatsanwalt Johan Delmulle ein.

Die Behörden behielten nach den Festnahmen den üblichen „Gefahrenlevel“ bei – Stufe 2 von 4. „Kein Grund zur Panik“, so übersetzten das Insider. Stufe 1 – eine noch geringe Terrorgefahr – gab es in Belgien schon länger nicht mehr. Im Vorjahr gab es ebenfalls zur Weihnachtszeit Terroralarm einer höheren Stufe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2008)

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