ERSTER GIPFELSTURM. Faymann begeisterte sich für Europa.
BRÜSSEL. Auf dem „Familienfoto“ mit EU-Präsident Nicolas Sarkozy. Klick. Links und rechts weitere Amtskollegen, von Deutschlands mächtiger Kanzlerin Angela Merkel bis zu Italiens EU-Rebell Silvio Berlusconi. Klick. Davor noch rasch zum „Meet & Greet“ mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso – ein erstes Beschnuppern in der obersten Verwaltungsbehörde Europas. Klick. Ein kurzes Treffen auch mit Österreichs Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Die Kamera läuft.
Werner Faymann, der neue SPÖ-Kanzler, hat seine Premiere unter Europas Staats- und Regierungschefs und seinen Besuch in der EU-Kommission offensichtlich genossen, das Bad in der Menge aus Politikern, Diplomaten und Fotografen inklusive. Wird aus dem an der EU eher wenig interessierten Regierungschef doch noch ein glühender „Brüsselianer“?
„Sehr positiv“ habe er erlebt, dass „viel von der Vorsitzführung abhängt“, ob man bei einem Gipfel erfolgreich sei, sagte Faymann am Freitag am Ende des Treffens. „Ein schöner Erfolg“ sei es gewesen, streute er Sarkozy Rosen, dem andere eher „Hyperaktivität“ vorwerfen. Ein Milliardenpaket zur Rettung der Wirtschaft, ein Fahrplan aus der EU-Krise nach dem irischen Nein zum Reformvertrag von Lissabon, ein Umweltpaket, das den Arbeitsmarkt nicht überfordere: Das gemeinsame Projekt sei gelungen, meinte Faymann in seiner Bilanz vor Journalisten sichtlich zufrieden. Ein letztes Mal: klick.
Durch eine engagierte EU-Präsidentschaft sei eben „mehr zu erreichen als durch ein Zurücklehnen“ in Europa, meinte der Kanzler. Er selbst wolle „immer mehr Zeit für die EU aufwenden“. Als Verkehrsminister war Faymann in den vergangenen 20 Monaten nur selten zu Ministerräten in Brüssel und Luxemburg erschienen – weil die Arbeit vor den Räten oft mehr gezählt habe, wie er sagte.
Intensive Englisch-Lektionen
Jetzt ist Faymann dank intensiver Privatstunden in Englisch jedenfalls immer besser gerüstet für den direkten Kontakt. Sein einstündiges Gespräch mit Barroso absolvierte Faymann ohne Dolmetscher, ebenso wie so manchen Smalltalk mit Amtskollegen.
Das Hoppala, das sich viele angereiste Journalisten gewünscht haben, blieb aus. Dafür gab es eine Demonstration der neuen trauten Zweisamkeit in der Regierung. VP-Außenminister Michael Spindelegger streute dem neuen Regierungschef Rosen: „Die Zusammenarbeit hat schon bei der Vorbereitung in Wien gut begonnen.“ Tatsächlich war das Bild von Kanzler und Außenminister diesmal deutlich anders als in der Vergangenheit. Auch die mitgereiste Delegation war von der Harmonie überrascht. Viele erinnerten sich an den ersten gemeinsamen Auftritt von Ursula Plassnik und Alfred Gusenbauer in Brüssel.
Damals plauderte der frisch gebackene Kanzler locker über Details aus der Sitzung. Plassnik erstarrten zuweilen die Züge über so viel Indiskretion. „Die Gespräche der beiden haben eigentlich nie funktioniert“, erinnert sich ein Diplomat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2008)